Aus Apulien in die Schweiz und zurück

■ Eine Geschichte von Blindheit: Denis Rabaglias Film„Azzurro“ im Passage

Wenn es einen Song gibt, der wie kein anderer für die Italophilie der Nordeuropäer steht, dann ist das „Azzurro“. Meist in der Interpretation Adriano Celentanos und in unerträglicher Lautstärke wird er vor allem beim Einnehmen italienischer Speisen in einschlägigen Restaurants abgenudelt – und dann tagelang unter der Dusche gesungen. Nun gibt es in Hamburg auch einen Film zu sehen, der diesen Titel trägt, und das verheißt nichts Gutes, es sei denn, man ist in der gerade beschriebenen Weise italophil.

Dem Song darf man denn auch mehrfach in Denis Rabaglias Film Azzurro lauschen. Der Regisseur lebt in der Schweiz und hat dort für seinen zweiten Langspielfilm den mit 50.000 Franken dotierten Schweizer Filmpreis 2001 erhalten. Azzurro folgt Giuseppe di Metrio (Paolo Villaggio), einem alten Gastarbeiter aus der Schweiz, der inzwischen längst wieder in seinem apulischen Heimatdorf lebt, auf einer Reise zurück ins Land seiner schlecht bezahlten Arbeit. Dort soll sein ehemaliger Chef, der ihm noch einen Gefallen schuldig ist, di Metrios Enkelin (Francesca Pipoli) eine Augenoperation bezahlen. Das Mädchen, das seinen Großvater innig liebt, ist blind. Dem Nonno selbst droht der Tod durch einen weiteren Herzinfarkt, doch er möchte gerne noch erleben, wie seine Enkelin das Augenlicht zurückerhält, und so hat er das Mädchen kurzerhand gen Norden verschleppt.

Manchmal wünscht man sich, diese Geschichte wäre tatsächlich nur ein Vorwand, um das vergessene Kapitel der früheren Gastarbeiter in der Schweiz zu beleuchten, doch die rührselige Parabel um Blindheit und Erkennen steht allzu sehr im Vordergrund. Zugegeben, sie ist schauspielerisch hervorragend in Szene gesetzt, und auch die Kamera mit ihren ganz und gar nicht aufdringlichen Bildern besticht schon nach wenigen Minuten.

Es muss aber schon ordentlich gewühlt werden, um hinter dem ganzen Kitsch einige gar nicht so blöde Schlaglichter zu entdecken, die Azzurro auf die italienisch-schweizerische Migrationsgeschichte wirft. Und die setzen eigentümlicherweise viel weniger auf das Mitleid der Zuschauer: Die Großväterchen-Naivität, so zeigen uns einige Rückblenden, trug Metrio schon als junger Mann. In hitzigen Diskussionen mit einem Freund und radikalen Gewerkschaftler wird ihm das als Dummheit vorgeworfen. Und nun glaubt der Alte, ausgerechnet sein Chef, dem er einst für ein Trinkgeld eine gewinnbringende Erfindung verkaufte, würde ihm aus der Not heraushelfen ... Doch wühlen Sie selbst, es lohnt sich.

Christiane Müller-Lobeck

täglich, 15.30, 18 und 20.30 Uhr, Sa/So a. 22.45 Uhr, Passage