Grüne Fee im Hinterzimmer

taz-Serie „Schrille Läden“ (Teil 7): Im ersten Berliner Absinth-Depot in der Weinmeisterstraße in Mitte kann man das mystische Gesöff trinken und kaufen. Eine Flasche kostet zwischen 60 und 90 Mark

von DANIEL FERSCH

„Es geht um die Wiederbelebung einer alten Tradition“, raunt Frank Petzke geheimnisvoll. Petzke sitzt im abgedunkelten Hinterzimmer eines Spätverkaufs ganz in der Nähe der In-Meile an den Hackeschen Höfen. Der dunkelbraun gebeizte Holztisch vor uns ist voll gestellt mit brennenden Kerzen, Cocktailgläsern und Flaschen mit grünem und rotem Inhalt. An der goldbraun tapezierten Wand flackern gerahmte Ölbilder und alte Werbetafeln im Kerzenlicht.

Geheimnisvoll soll die Atmosphäre wirken, ein wenig den Hauch des vermeintlich Illegalen verbreiten. So wie das Getränk, das hier verkostet wird. Ein Getränk, das jahrzehntelang verboten war und seit zwei Jahren dank einer EU-Aromenverordnung wieder frei verkauft werden darf. Es handelt sich um Absinth, der aus Wermut und anderen Kräutern destillierten „Grünen Fee“, die im Milligrammbereich den psychoaktiven Stoff Thujon enthält und der wundersame Wirkungen nachgesagt werden.

Frank Petzke weiß, warum der bittere Brand Anfang des letzten Jahrhunderts der Prohibition zum Opfer fiel: „Schuld am schlechten Ruf des Absinth war vor allem, dass damals im großen Stil mit Industriealkohol gepantscht wurde“. Der Mittdreißiger gibt bei den Verkostungsevents den Zeremonienmeister und Anekdotenerzähler. Eine Rolle, die ihm liegt, denn er kann reden wie ein Wasserfall.

Früher war der gelernte Biologe als Clubbetreiber tätig. Die dabei geknüpften Verbindungen ins Gastätten- und Amüsiergewerbe erweisen sich bei seiner jetzigen Mission als sehr nützlich. Ist doch das Szenepublikum die passende Zielgruppe für das einstige Kultgetränk. Schließlich erfeute Absinth seit Mitte des 19. Jahrhundert bei der Pariser Boheme und in Künstlerkreisen große Beliebtheit. Zu den Fans der „Grünen Fee“ zählten zum Beispiel Henri Toulouse-Lautrec, Oscar Wilde und auch Ernest Hemingway. Inzwischen arbeiten viele Bars und Clubs, die Absinth-Cocktails anbieten, wieder kräftig an diesem Mythos. Obwohl die Betreiber des Absinth-Depots auch als Importeure auftreten und mit einem Versandhandel kooperieren, sehen sie ihr Treiben eher als „Projekt“. „Wir alle machen das nur nebenberuflich“, betont Petzke. Man wolle die Leute an den Mythos heranführen und sie informieren. Die Nachfrage nach dem grünen Geist scheint grenzenlos: „Bisher haben wir mehr als 2.000 Verkostungen durchgeführt.“

So ganz ohne Selbstzweck ist das Hinterzimmerevent mit Abenteuercharakter jedoch nicht. Sollen doch die leicht angeheiterten Gäste nach Verlassen des Etablissements im Spätverkauf ruhig die eine oder andere Flasche Absinth (Preise zwischen 60 und 90 Mark) erwerben. Und möglichst mit Bekannten wiederkommen.

„Absinth Depot“, Weinmeisterstr. 4, Mitte. Absinthverkostung jeden Abend von 19 bis 20 Uhr oder nach telefonischer Voranmeldung unter 2 81 67 89