Dublin ist das neue Notting Hill

Gerard Stembridges Film „Alles über Adam“ lupft Herzen als schöne priesterfreie irische Komödie der Täuschungen

Wenn sich Frauenzeitschriften den idealen Mann zusammenbasteln, was sie jeden Monat tun, sieht das Ergebnis meist wie folgt aus: Er hat einen lässigen Job, zum Beispiel in der angesagtesten Fotogalerie der Stadt. Ferner verfügt er über jede Menge Kohle, einen Jaguar, ein Luxusapartment und viel, viel Zeit, um die mannigfachen Bedürfnisse der holden Weiblichkeit aufs Trefflichste zu stillen. Womit wir schon bei den inneren Werten wären. Charme muss er haben. Und Esprit. Er muss zu jeder Zeit das Richtige sagen und den Frauen die Wünsche von den Augen ablesen. Adam ist so ein Mann. Die Frauen lieben ihn. Männern ist der Kerl irgendwie unheimlich. Falsch gedacht, meine Herren! Ganz falsch.

Mit einem rätselhaften Projekt, nämlich einer textgetreuen Country- & Western-Version von Shakespeares „Komödie der Irrungen“, hat sich der Dubliner Theaterregisseur Gerard Stembridge einen Namen gemacht. Sein zweiter Film „Alles über Adam“ ist auch so eine romantische Komödie der Irrungen oder besser: der kleinen Täuschungen. Das beginnt bei der angeblichen Hauptperson. Fintenreich hält Stembridge den Zuschauer in dem Irrglauben, dass es hier irgendetwas über Adam zu erfahren gäbe. Der bricht eines Tages in den Alltag der begüterten Dubliner Familie Owens ein. So still und leise, dass er ein düsteres Geheimnis tragen muss. Nacheinander verführt er die drei Töchter, vor den Augen seiner betriebsblinden Schwiegermutter in spe, die ihr Glück kaum fassen kann, und des Sohnes, dem er in Sachen Sex auch noch ein wenig auf die Sprünge hilft. Tatsächlich erfahren wir viel über die modernen Verklemmungen dieser Dubliners. Aber verdammt, was macht diesen Adam so sexy?

Der hölzerne Beginn dieses Reigens ist auch so eine Täuschung. Schauplatz ist der Kneipenbezirk Temple Bar, der in seiner aufgedonnerten Künstlichkeit das Authentischste ist, was die quirlige IT-Metropole Dublin heutzutage zu bieten hat. Hier angelt sich die mäßig begabte Thekenschlampe Lucy (der neue Illustriertenschwarm Kate Hudson) den schüchternen Adam (Stuart Townsend), der auf den ersten Blick so berückend gar nicht wirkt. Mit ihrer sonoren Denkstimme und einigen bemühten Postkartenansichten wähnt man sich in einem irischen „Manhattan“ für Teenager. Und da nimmt der Traumboy auch noch einen öffentlichen Heiratsantrag an.

Doch dann packt Stemberg sein hemmungslos konstruiertes Drehbuch aus und alles wird gut. Adam erscheint den Schwestern an den unmöglichsten Orten und lässt seine Künste walten. Ohne Perspektivwechsel und eine komplexe Rückblendenstruktur geht nichts mehr. Temple Bar wird zur Bühne mit mehrfach ineinander verschobenen Spielebenen und jenen Vorhanglauschereien, die wir vom alten Shakespeare kennen. Lucys leicht hysterische Schwester Laura (Frances O’Connor) erlebt den Heiratsantrag als quasi voreheliche Ehebrecherin. Doch Emily Brontë sei Dank ist die kleine Studentin auf diese Rolle schon bestens vorbereitet. „Wuthering Heights“ lieferte die Blaupause für die schönsten Liebesspiele – am Ende schreibt die kecke Viktorianerin eine lehrstuhlzerfetzende Doktorarbeit zum erotischen Dauerbrenner „Hysteria and Lust“. Und für die älteste Schwester Alice (Charlotte Bradley) war dieser Adam nur ein frauenjournaltauglicher Seitensprung, um die müde Ehe aufzufrischen. Man schweigt, und alle sind glücklich.

Bei solch heiterer Missachtung gängiger Hollywood-Moral kann man nun an „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ denken und Dublin zum neuen Notting Hill ausrufen. Endlich befreit sich der irische Film von Whiskey, Priestern und Pferdegestank. Oder man goutiert „Alles über Adam“ als herrlich zweckfreies Theaterstück, das nur im Film funktioniert und in seiner smarten Konstruktion sogar auf pfiffige Dialoge und gute Schauspieler verzichten kann. Sind wir nicht alle schlechte Schauspieler unserer selbst? Man kann natürlich auch an Pasolinis „Teorèma“ denken. Da verführte eine von Terence Stamp verkörperte Dionysos-Jesus-Jehova-Figur der Reihe nach die Haushälterin, den Sohn, die Mutter, die Tochter und schließlich den Vater einer Mailänder Industriellenfamilie und wirkte damit als spiritueller Katalysator bürgerlicher Selbsterkenntnis.

Gar so radikal ist Stembergs moderne Geometrie der Liebe nicht. Aber auch von Adam gibt es was zu lernen. Sein lauterer Donjuanismus kontert den modernen Geständniszwang gekonnt mit listiger Verschwiegenheit. Das Geheimnis der Liebe, unter uns, ist das Geheimnis selbst. PHILIPP BÜHLER

„Alles über Adam“. Regie und Buch: Gerard Stembridge. Darsteller: Stuart Townsend, Frances O’Connor, Charlotte Bradley, Kate Hudson. Großbritannien/Irland 1999. 97 Minuten.