Gefährdete Spezies T-Aktionär

Die Telekom-Aktie fällt auf die 20-Euro-Marke zu. Kleinaktionäre wundern sich zwar über nichts mehr, fordern aber endlich eine Verbesserung der deutschen Börsenvorschriften. Rot-grüne Politiker mit ähnlichen Aussagen, doch Gesetz lässt auf sich warten

von REINER METZGER

„Der Sommer raubt mir meine Rente“, empörte sich gestern sich ein frustrierter Kleinaktionär in Hamburg über den fallenden Kurs der Deutschen Telekom und deren Vorstandschef Ron Sommer. Die deutsche Volksaktie fiel gestern weiter, bis zum Nachmittag auf 20,30 Euro. Das macht seit Montag minus 15 Prozent. Wenn der Hamburger Herr wirklich einen Großteil seiner Rente auf eine einzige Aktie gesetzt hat, ist er selber schuld. Aktien sind und bleiben nun einmal eine Risikoanlage. Trotzdem ist die Telekom ein Spezialfall: Sie wurde immerhin von der Bundesregierung mit hehren Versprechungen 1996 auf den Markt gebracht, knapp die Hälfte der Aktien sind immer noch in der Hand des Bundes.

Der jüngste Kurssturz der Telekom wurde ausgelöst durch einen Doppelschlag der Deutschen Bank: Am Montag verlängerte die eine Abteilung die Empfehlung „Telekom kaufen“, am Dienstag verkaufte eine andere Abteilung 44 Millionen T-Aktien an der Börse. „Solch ein Block Trade wird normalerweise bei größeren Anlegern außerhalb der Börse platziert“, wundert sich Reinhild Keitel, im Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (www.sdk.org). „Ein solcher Verkauf direkt an der Börse hat Signalwirkung.“ Nach unten. Und durch die vorherige Kaufempfehlung der Deutschen Bank hätten die Anleger mal wieder Zweifel an der strikten Trennung von Börsenhändlern und Bankenanalysten am deutschen Aktienmarkt.

Weltweit sind Telekommunikationsaktien in den letzten Monaten gefallen. „Aber die T-Aktie ist schon besonders“, so Reinhild Keitel, „da mussten die Anleger etliche Schocks hinnehmen.“ Jüngstes Beispiel: Der Telekom-Vorstand beichtete seinen Anlegern, dass er beim letzten Aktienverkauf Mitte 2000 die Immobilien des Konzerns zu hoch angesetzt hat, und verkündet eine milliardenschwere Wertberichtigung.

Wer nun eigentlich das dicke Aktienpaket verkauft hat, bleibt Spekulation. Wie bei solchen Geschäften üblich, nennt die Deutsche Bank den Namen nicht. Und weitere könnten in den nächsten Monaten folgen.

„Ein dicker Hund! Der Gesetzgeber muss überlegen, wie er Anleger besser vor solchen Aktionen schützt“, so gestern Joachim Poß in der Bild-Zeitung zum Coup der Deutschen Bank. Das Schöne daran ist, dass Herr Poß seine Forderung direkt auf den Weg bringen kann: Er ist nämlich finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Und die stellt immerhin die Regierung. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Werner Schulz, forderte eine Prüfung des Vorgangs durch die Börsenaufsicht.

Wenn es ums harte politische Alltagsgeschäft geht, also ums Gesetzemachen, war die jetzige Bundesregierung bisher kaum kleinanlegerfreundlicher als die vorherige. Der geplante bessere Schutz von Privataktionären mit dem „4. Finanzmarktförderungsgesetz“ verzögert sich immer weiter. Der SdK geht das Gesetz auch nicht weit genug. Die Kleinaktionäre fordern, Vorstände endlich auch strafrechtlich belangen zu können, wenn sie sich an ihren Aktionären bereichern. Nach dem Börsengesetz liegt die Beweislast de facto bei den Geschädigten, die Vorstände gehen praktisch immer straffrei aus. Auch gelten im Kapitalmarktrecht lächerliche Verjährungsfristen: Die Angaben im Börsenprospekt sind teilweise schon nach sechs Monaten verjährt – bis der Anleger was merkt, ist die Frist vorbei.

„Ein weiterer Mangel des deutschen Aktienrechts liegt darin, dass der einzelne Aktionär nicht unmittelbar gegen die Gesellschaft klagen kann“, so die Schutzgemeinschaft. Es bleibt dann in der Regel nur, auf der Hauptversammlung zum Beispiel die Nichtentlastung des Vorstandes zu beantragen – was meist von den Großaktionären abgelehnt wird. Die sitzen nämlich meist im Aufsichtsrat und haben im Vorfeld das Handeln des Vorstands abgesegnet.