yeah, yeah, yeah
: Wandernde Enthusiasten (7): Zigarettenrauchen

Freie Sauerstoffradikale attackieren den Endothelbotenstoff Stickstoffmonoxid

Rauchen ist prima, Rauchen ist ’ne Wucht. Diese Einschätzung widerspricht sicherlich dem Geist dieser kleinen Kolumne, in der es zwar enthusiastisch zugehen soll, aber doch bitte ohne schädliche Nebenwirkungen. Und sie klingt natürlich seltsam, wenn sie von jemand stammt, der vor gut zwei Jahren das Rauchen aufgegeben hat. Die Faszination aber bleibt. Denn da ist der berühmte „Schmacht“, der einen immer mal wieder ereilt beim Bier oder im Kreise rauchender Kollegen und Freunde; da sind vor allem aber die vielfältigen biochemischen und verhaltensbiologischen Wirkungen des Rauchens, die psychologischen und physiologischen Phänomene, die einen dranbleiben lassen.

Also, klar, Rauchen ist schädlich, steht schließlich auch auf jeder Zigarettenpackung: Die Gesundheitsministerin warnt, und kein Mensch nimmt’s wahr. An die 4.000 verschiedene Substanzen sind im Tabakrauch vertreten, darunter Teer und Karzinogene, die Krebs verursachen, Lungenemphyseme und andere Bronchialerkrankungen; darunter auch das Kohlenmonoxid, das ursächlich für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist: Der erhöhte Kohlenmonoxidgehalt im Blut geht mit einem Anstieg des Hämatokritwerts, des Fibrinogenspiegels und der Gerinnungsaktivität einher und sorgt so für einen langsameren Fluss in den Gefäßen.

Seit Jahren weiß man auch, dass im Zigarettenrauch enthaltende freie Sauerstoffradikale den Endothelbotenstoff Stickstoffmonoxid attackieren und abbauen. Das Stickstoffmonoxid hält eigentlich die Gefäße weit und elastisch und sorgt dafür, dass sich die Blutplättchen nicht so schnell zusammenballen. Nur von untergeordneter Bedeutung für die Folgerkrankungen des Rauchens ist das Nikotin – auch wenn es natürlich dafür sorgt, dass man das Rauchen nur schwer sein lassen kann: Nikotin stellt die Sucht erzeugende Komponente des Zigarettenrauchens dar, womit wir beim tatsächlich Enthusiasmierendem dieser Kolumne wären. Nikotin wirkt schon sieben bis zwölf Sekunden nach Inhalation, und das 30 Minuten lang, und es sorgt für die richtig gute Stimmung: Raucher empfinden es einerseits als aktivierend und stimulierend, anderseits als entspannend und beruhigend, ganz nach Bedarf. Auch der Hunger lässt nach, die Konzentration wird verbessert, und wer Stress hat, erlebt die belohnende Wirkung von Nikotin umso stärker.

Das alles kommt dadurch, dass Nikotin den Stoffwechsel neuronaler Botenstoffe beeinflusst. Nikotin aktiviert bestimmte Rezeptoren, die so genannten nikotinergen Acetylcholinrezeptoren, und es veranlasst über diese die Ausschüttung von endogenen Opioiden und vor allem Dopamin, das für den Dopamin-Kick sorgt und hauptsächlich für die ach so befriedigenden Wirkungen zuständig ist. Diese Rezeptoren sind unmittelbar nach der Stimulierung refraktär, werden aber mit Abfallen des Nikotinspiegels wieder zunehmend sensibel und erregbar. Darüber hinaus werden durch Nikotin unter anderem auch Acetylcholin und Noradrenalin ausgeschüttet, beides Stoffe, die positiven Einfluss auf die Leistung und die Konzentration rauchender Menschen haben. Durch regelmäßiges Rauchen werden nun noch mehr dieser nikotinergen Acetylcholinrezeptoren produziert, was wiederum zur Folge hat, dass mehr Dopamin ausgeschüttet wird. Insbesondere deswegen wird von vielen Rauchern die erste Zigarette am Morgen als so unwahrscheinlich sympathisch empfunden. Dauert die Abstinenz aber länger als nur eine Nacht, tritt die Dopaminausschüttung unter eine kritische Schwelle, gibt es die typischen Nikotinentzugserscheinungen: Die Stimmung wird schlechter, Agitation und Unruhe nehmen zu, der Griff zur nächsten Zigarette wird unvermeidlich und so weiter und so süchtig. Übrigens: Wer mit 33 oder 34 Jahren aufhört zu rauchen, soll sechs, sieben Jahre später dieselbe Lebenserwartung haben wie ein Vierzigjähriger, der nie geraucht hat.

GERRIT BARTELS