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: Hollywood grüßt: Steven Spielbergs Rede an das Volk der Filmbiennale

Sexroboter und andere Androiden

Plötzlich schwebte er über uns. Seine Stimme klang salbungsvoll, ganz der Weltwichtigkeit seiner Worte angemessen. Steven Spielberg schickte von der Leinwand hinab ein Grußwort an das Volk der Filmfestspiele von Venedig. Leider könne er unmöglich zur Vorführung von „Artificial Intelligence“ kommen, da er schon seinen neuen Film „Minority Report“ vorbereite. „A. I.“ sei zwar ursprünglich ein Kubrick-Projekt gewesen, aber „Stanley“ habe ihn nun mal persönlich gebeten, die Regie zu übernehmen. Deshalb sei er, Steven, es nun, der diesen Film „bescheiden auf diesem großartigen Festival“ präsentiere. Und noch ein Ratschlag vom Herrgott: Wer auf dem Lido an einem Cappuccino nippe, solle bloß daran denken, dass die Hand, die die Tasse hält, von Wissenschaftlern bald durch einen Computerarm ersetzt werden könnte.

Vielleicht war es der akkurat gezupfte Intello-Spießerbart, dessen Stoppelhärchen auf der Leinwand riesengroß in Reih und Glied standen, adrett wie ein weißer amerikanischer Vorgartenzaun, oder auch einfach der sülzige Märchenonkelton, der Spielbergs Performance irgendwie unangenehm machte. Nach der Vorführung dachte ich jedenfalls nicht an Cappuccino-Computer, sondern an die Vorstellung, dass es in ferner Zukunft jede Menge Sexroboter geben könnte, die aussehen wie Jude Law.

In den meisten Filmen dieses Festivals ist der Sex ja ohnehin nur noch mechanischer Akt. Ulrich Seidl beraubt seine österreichischen Kleinbürger beim Gruppensex jeglicher Kreatürlichkeit. Außerhalb von sadomasochistischen Rollenspielen scheint Berührung in seinem Film „Hundstage“ nicht mehr möglich. Larry Clark macht das Aufeinanderklatschen zweier Teeniekörper in „Bully“ zur Feierabendroutine und inszeniert Quickies wie Videospiele. In „Hollywood, Hongkong“ ist kein Unterschied mehr zwischen Menschen- und Schweinekörpern und in koreanischen Filmen sind Sex und Schläge sowieso dasselbe. Dann schon lieber Jude Law als erotischer Dienstleistungsroboter, der die gängigen Verführungsszenarien einprogrammiert hat.

Ansonsten wird man das Gefühl nicht los, dass die amerikanische Filmindustrie dieses Festival ohnehin schon mit einer Armee von mehr oder minder funktionstüchtigen Hollywood-Androiden infiltriert hat. Der Star als Repräsentationsroboter. Wenn das Lächelprogramm seine kurzen Aussetzer hatte, konnte man bei Nicole Kidmans öffentlichen Auftritten am Lido jedenfalls den gleichen leeren Blick beobachten wie bei Spielbergs kleinem Hauptdarsteller Harvey Joel Osment am Küchentisch seiner menschlichen Adoptionsfamilie. Osment selbst gibt in der Warner-Suite seines Hotels Fernsehinterviews im Fünfminutentakt, wobei das Sprachmodul auf alle Fragen identische Antworten generiert: „Es ist nicht anstrengend, ein Star zu sein. Ich bin ein ganz normaler amerikanischer Junge.“ Und wenn Charlize Theron bei ihrer Pressekonferenz die Erkenntnis hat, dass Venedig tatsächlich aus wahnsinnig viel Wasser besteht, dann kann dieser Satz eigentlich auch nicht aus einem menschlichen Hirn stammen.

Nur Liz Taylor scheint noch nicht so weit zu sein. Bei ihrer Ankunft in Venedig torkelte sie mit ihrem weißen Pinscher im Arm aus dem Flughafen, blinzelte in die Kameras und stützte sich an einen Pfeiler. Irgendwann entstand unter der leicht verflossenen Schminke ein unglaublich unsicheres Lächeln. Während ein Begleiter sie vorsichtig zum Wassertaxi führte, winkte sie noch ein bisschen benebelt in die Kameras und hielt sich wie ein kleines ängstliches Mädchen an ihrem Hund fest. So was kriegt noch kein Roboter hin. KATJA NICODEMUS