Haar in der Schlosssuppe

Kultursenatorin Goehler ist gegen den Wiederaufbau der historischen Schlossfassade. Bei der Vorstellung der Rekonstruktion „sträuben sich die Nackenhaare“. Kritik an Vorentscheidung der Schlosskommission. Moderne Entwürfe sollen Chance haben

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Schlossfans in der „Kommission Historische Mitte Berlin“ müssen sich bei den kommenden Sitzungen im Herbst warm anziehen. Kultursenatorin Adrienne Goehler hat sich gestern gegen eine originalgetreue Rekonstruktion des 1950 gesprengten Stadtschlosses ausgesprochen. Goehler, die als Nachfolgerin von Exkultursenator Christoph Stölzl (CDU) in die Kommission eintreten wird, begrüßte zugleich die von dem Beirat vorgeschlagene Nutzung des Ortes als zukünftige Stätte für Kultur, Wissenschaft und europäische Institutionen. Bis Ende des Jahres will die Kommission eine Empfehlung an das Land und den Bund zur Bebauung des Schlossplatzes geben. Unter den Mitgliedern sowie beim Vorsitzenden des Gremiums, Hannes Swoboda (Österreich), hatte sich in der Vergangenheit die Tendenz abgezeichnet, sich für einen Wiederaufbau des barocken Schlüterbaus zu entscheiden.

Goehler dagegen steht den Rekonstruktionsabsichten für eine historische Fassade „sehr skeptisch“ gegenüber. Vielmehr müsse „eine Brücke“ gefunden werden, welche die Geschichte des Ortes, aber vor allem die Gegenwart berücksichtige. Sie verhehlte dabei nicht ihre Abneigung gegen architektonische Kopien. Angesichts der Vielzahl erhaltener barocker Schlösser und Gärten in Brandenburg, sagte die Senatorin, sei es besonders „fragwürdig“, sich in der leeren Stadtmitte eine Nachbildung vorzustellen. Goehler: „Mir sträuben sich die Nackenhaare bei der Vorstellung, in ein Nichts eine Rekonstruktion zu bauen.“

Als „möglichen Weg, der aus der Sackgasse – Schloss oder Neubau – herausführen könnte“, bezeichnete Goehler den Vorschlag des Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan, der gestern sein Konzept noch einmal erläuterte. Dies sei der Versuch, mit moderner Architektur auch die geschichtliche Dimension des Ortes zu berücksichtigen. Es komme darauf an, sich derartigen Ideen jetzt anzunähern.

Gerkan hatte eine Planung für die noch laufende Ausstellung „Schlossplatz, Ideen und Entwürfe 1991–2001“ im Staatsratsgebäude vorgelegt. Danach soll ein „virtuelles Schloss“ in Gestalt eines modernen Glasbaus entstehen, hinter dessen transparenter Außenwand die alte Schlossfassade in Form eines abstrakten und riesenhaft vergrößerten Schlossfotos hindurchscheint. In den Glaskubus, sagte Gerkan gestern, könnte auch der Palast der Republik integriert werden.