„Kill Your Idols“ und so

Wie Joachim Bessing und Claudius Seidl einmal fast das Abendland retteten. Eine Art Lesung aus Bessings neuem Roman in den Sophiensælen

von GERRIT BARTELS

Ort: Theatersaal der Sophiensæle in Mitte. Zeit: Freitagabend, ca, 20.30 Uhr.

Mitwirkende: Joachim Bessing, Autor des Buchs „Wir-Maschine“; Claudius Seidl, Moderator; Werner Löcher-Lawrence, Deutsche Verlagsanstalt; Freunde von Bessing und Seidl (etwa 30 Personen), sonstiges Publikum (etwa 30 Personen), Simonetta, Harfenspielerin.

Löcher-Lawrence: Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich bin stolz darauf, Ihnen heute Abend den Schriftsteller Joachim Bessing präsentieren zu dürfen. Wir haben gerade beschlossen, dass er auch seine nächsten zehn Bücher bei uns veröffentlicht. Neulich war ich am Sterbebett von Leonardo da Vinci. Das erzähle ich, weil in Joachim Bessings Buch eine Maschine vorkommt. Aber ich greife vor, lassen Sie sich selbst überraschen. Joachim Bessing wird Ihnen jetzt von Claudius Seidl vorgestellt. Im Anschluss an die Lesung werden sich beide über das Buch unterhalten und Fragen aus dem Publikum beantworten. Vorher aber Musik!

(Auftritt von Simonetta. Applaus. Spots an. Dann Auftritt Bessing, Seidl. Spots an.)

Seidl: Ich glaube, Joachim Bessing will das Abendland retten. Nein, das Abendland will von ihm gerettet werden.

Bessing: Ja, genau.

Seidl: Früher sah er ganz anders aus. Da hat er hinten auf dem Umschlag von „Tristesse Royale“ eine Hornbrille getragen, speckige Haare gehabt und in einem steifen Anzug gesteckt. Gucken Sie ihn sich jetzt an. Als Reaktion auf „Tristesse Royale“ hat das Abendland zurückgeschlagen. Es gab Feuilletonverwerfungen. Auch in Tutzing.

Bessing: Ja, stimmt. Ich lese jetzt mal etwas vor. Keine Angst, sind auch nur zwei Kapitel, es dauert nicht lange.

(Bessing fängt an zu lesen: „Francis Gurt isst wie ein Schwein. Sie kennen sich nun schon so lange, aber gerade jetzt . . .“ usw. Nach der Lesung Applaus. Spots an.)

Seidl: Es geht von Hamburg nach München in dem Buch.

Bessing: Ja, richtig, mit Berlin hat das nichts zu tun.

Seidl: Ein Hamburg-Roman?

Bessing: Ja, vielleicht.

Seidl: Gibt es eigentlich Hamburg-Romane? Ein zärtliches Buch jedenfalls.

Bessing: Ja.

Seidl: Hast du Vorbilder?

Bessing: Ja. Nein, eigentlich nicht. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, ich meine Philipp Boa, „Copperfield“, „Kill Your Idols“ und so.

Frau aus dem Publikum: Hier sind wir! Redet zu uns! Nuschelt nicht so in die Mikros!

Bessing und Seidl: Ja!

Seidl: Schreibst du tagsüber? Oder nachts?

Bessing: Tagsüber.

Seidl: Bist du nicht zu jung für eine Thomas-Mann-Existenz? Bessing: Nein.

Seidl: Möchtest du über München sprechen?

Bessing: In München gibt’s Weinschorle in 1-Liter-Krügen.

Seidl: Hast du das alles recherchiert?

Bessing: Ich kann gar nicht recherchieren.

Andere Frau aus dem Publikum: Redet doch mal lauter!

Seidl: Wir würden gern mit dem Publikum sprechen. Aber wir sehen es nicht. Gibt es Fragen?

Löcher-Lawrence: Ich glaube, wir brechen jetzt ab. Wir hören noch einmal Simonetta mit Streichersätzen ohne Streichersätze. Ganz toll.

(Auftritt Simonetta. Applaus. Spots an.)

Noch eine Dame aus dem Publikum: So geht das doch wohl nicht! Der Herr da rechts hat sich offensichtlich gar nicht vorbereitet. Und der Herr Bessing fängt einfach an zu lesen, irgendwo, mittendrin. Um was geht es eigentlich in dem Buch? Ich bin Lesungen gewohnt, bei denen man das Buch auch vorgestellt bekommt.

Löcher-Lawrence: Das ist ein berechtigter Einwand. Ich will Ihnen das Buch erklären.

(Löcher-Lawrence erklärt, um was es in dem Buch geht, und beantwortet weitere Fragen aus dem Publikum. Spots aus. Wein. Bier.)

(Kein Vorhang)