verschwörungstheoretische anmerkungen III
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Am 25. 11. 1941 notierte der US-Verteidigungsminister Henry Stimson nach einer Unterhaltung mit Präsident Roosevelt über die Japaner in sein Tagebuch: „Die Frage war, wie man sie in eine Position manövrieren könnte, in der sie den ersten Schuss abgeben würden, ohne dass uns allzuviel passiert . . . es war wünschenswert, sicherzustellen, dass die Japaner dies wären, [die den ersten Schuss abgeben], sodass niemand auch nur den geringsten Zweifel haben könnte, wer der Aggressor war.“ Keine zwei Wochen später war es dann so weit.

Schon 1932 und 1938 war der Stützpunkt zweimal bei Marineübungen „überfallen“ worden, und jedes Mal war die Verteidigung völlig überfordert. Deshalb galt Pearl Harbor als besonders verwundbarer Marinehafen. Als Roosevelt befahl, die Flotte von der Westküste dorthin zu verlegen, protestierte der amtierende Admiral Richardson dagegen und weigerte sich schließlich sogar, den Befehl auszuführen. Er wurde durch Admiral Kimmel ersetzt – den man nach dem japanischen Angriff wegen Nachlässigkeit vor einen Untersuchungsausschuss brachte. Er wurde freigesprochen, als bekannt wurde, dass man ihm 188 entschlüsselte japanische Nachrichten vorenthalten hatte, aus denen der bevorstehende Angriff samt Datum und Uhrzeit hervorging.

Auch holländische, britische und sowjetische Nachrichtendienste hatten vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt, doch auch diese Meldungen waren von den Geheimdiensten in Washington zurückgehalten worden. Als zwei der zwischen 1920 und 1940 angesehensten Historiker der USA – die Professoren Charles Beard und Harry E. Barnes – die offizielle Regierungsversion daraufhin ablehnten, wurden sie als Spinner denunziert und aus dem Lehrbetrieb entfernt. Der „Überraschungsangriff“ steht seitdem in jedem Lexikon.

Am 25. 7. 1990 überbrachte die US-Botschafterin in Irak, April Glaspie, eine Botschaft des Weißen Hauses an Saddam Hussein: Präsident Bush wünsche, die Beziehungen zu Irak „auszubauen und zu vertiefen“. Weiter hieß es: „Wir haben zu innerarabischen Differenzen wie auch zu Ihren Auseinandersetzungen mit Kuweit nicht viel zu sagen. Wir alle sind davon überzeugt, dass Sie das Problem bald lösen werden.“ Selbstverständlich war Saddams Truppenaufmarsch in den Wochen zuvor genau registriert worden, dass eine Invasion in Kuweit unmittelbar bevorstand, war offensichtlich, jedoch war auch hier beabsichtigt, ihn zum „ersten Schuss“ einzuladen. Sonst hätte man bei der späteren Bombardierung Iraks am Ende als Aggressor dagestanden – und statt als treuer Schäferhund der „Zivilisation“ als bissiger Pitbull eigener Macht- und Öl-Interessen. So wie ohne Pearl Harbor schon Hiroschima nicht als Verteidigung der Zivilisation durchgegangen wäre, sondern als mörderischer Waffentest und Terroranschlag.

Wenn wundert es da noch, dass bei einem „Überraschungsangriff“ höchstes Misstrauen angesagt ist. Nach den Japsen und Saddam ist jetzt Ussama Bin Laden aus dem Überraschungsei geschlüpft – ein neuer, hausgemachter Schurke.

MATHIAS BRÖCKERS