„Schilys Entwurf ist rassistisch“

■ Gruppen aus der Bremer Flüchtlingshilfe kritisieren den Entwurf von Bundesinneminister Otto Schily (SPD) für ein neues Einwanderungsgesetz

Der Entwurf der Bundesregierung zu einem neuen Zuwanderungsgesetz stieß auf einer Veranstaltung des Antirassismus-Büros (ARAB) am Dienstag im Lagerhaus auf scharfe Kritik. Die Vorträge der ARAB-Sprecher informierten umfassend über den Inhalt des Entwurfs; ihre Kritik daran traf auf die Zustimmung der etwas diskussions-müden Teilnehmer. Einigkeit herrschte darüber, eine Protestkampagne zu organisieren.

Gestern abend wurden dann auf einer Veranstaltung des Dachverbands der Ausländerkulturvereine (DAB) in Bremen Vorbereitungen zu einem gemeinsamen Bremer Aufruf getroffen. Er soll in zwei Wochen, wenn die einzelnen Organisationen einen Entwurf des DAB geprüft und ergänzt haben, verabschiedet werden.

Gegenüber der taz erläutert Franck Düvell vom ARAB die Positionen der Bremer Flüchtlingsinitiativen zum geplanten Zuwanderungsgesetz.

taz: Was sind Ihre Kritikpunkte am Gesetzentwurf der Bundesregierung?

Düvell: Abgelehnte Asylsuchende, die nicht abgeschoben werden können, weil objektive Abschiebehindernisse bestehen, sollen in Sammellagern zusammengefasst werden. Es wird eine weitere Einschränkung des Rechtes auf Arbeit geben. Die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das die Sozialhilfeleistungen auf 75 Prozent einschränkt, soll auf weitere Personengruppen ausgedehnt werden. Zudem wird es die Abschiebung in Viert-Staaten geben. Beim Familiennachzug wird die Altersgrenze von Kindern auf 12 Jahre gesenkt. Die internationalen Regelungen, insbesondere der EU, liegen bei 18 Jahren. Deutschland verstößt damit gegen internationales Recht. Für 1,7 Millionen AusländerInnnen mit einem bislang befristeten Aufenthaltsstatus entstünde durch das neue Gesetz neue Rechtsunsicherheit. Sie leitet sich ab aus der Pflicht zum Nachweis von Deutschkenntnissen und Kenntnissen der deutschen Rechtsordnung und Geschichte. Zusammengefasst ergibt sich daraus für uns ein Mehr an Diskriminierung und damit eine Verschlechterung des ohnehin schon rassistischen Klimas in Deutschland.

Was sind Ihre Forderungen?

Man hat den Eindruck, dass sich die AutorInnen überhaupt nicht am Wohl der betroffenen Menschen orientiert, sondern nur den Nutzen für die Wirtschaft im Auge gehabt . Ausländer werden unterschieden in jene, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt nützlich sind und in jene, die es nicht sind. Wenn die Arbeitsmarktlage sie nicht mehr benötigt, sollen sie auch wieder weg. Wir fordern, die Sache genau umgekehrt anzugehen und am Wohle der betroffenen Menschen anzusetzen.

Haben Sie eine Art alternativen Gesetzentwurf?

Nein, aber wir schließen uns dem anlässlich der letzten Bundestagswahl herausgegebenen Papier von Pro Asyl an. Es fordert die Abschaffung der Abschiebehaft, des Asylverfahrensgesetzes und des sogenannten Flughafenverfahrens. Darüber hinaus fordern wir Rechtssicherheit für alle jetzt schon in Deutschland lebenden Ausländer-Innen. Dazu gehören auch die sogenannten Illegalen. Wir sind uns da mit den Kirchen und der Caritas einig, die für die Legalisierung der hier lebender Menschen sind.

Wie ist eigentlich Ihre Position gegenüber der Kritik von Seiten der Grünen? Gibt es Überschneidungen?

Wir waren entsetzt, dass es bei den Grünen zunächst Zustimmung zu dem Gesetzentwurf gab. Ihre Kritik, dass dieses Gesetz nicht in einzelnen Punkten verbessert werden kann, sondern grundsätzlich neu formuliert werden muss, wird von uns unterstützt. Jetzt wünschen wir uns, dass die Grünen genug Standfestigkeit haben, sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen.

Welche Widerstandsperspektiven gibt es und was sind Ihre nächsten Schritte?

Am 29. September findet um 12 Uhr ab Berlin, Alexanderplatz eine bundesweite Demonstration statt. An diesem Wochenende gibt es eine bundesweite Konferenz von flüchtlingsunterstützenden Gruppen, das „kein Mensch ist illegal“-Netzwerk. Hier wird eine gemeinsame Kampagne gegen den Schily-Entwurf diskutiert werden.

Fragen: Nina Gessner