„Vom Trend erwischt“

Wenn Öl teurer wird, schlägt sich dies bei Ökoaktien positiv nieder. Blue Chips sind anfällig, weil sich Anleger darauf konzentrieren. Interview mit Andrew Murphy (33), Analyst bei Murphy & Spitz, Bonn

Interview CONSTANTIN VOGT

taz: Herr Murphy, ich habe ein paar tausend Markt übrig. Was soll ich angesichts eines drohenden kriegerischen Konfliktes damit machen?

Andrew Murphy: Erst mal gar nichts. Ich würde noch bis Anfang Oktober warten. Dann erst lassen sich die Auswirkungen der politischen und kriegerischen Unruhen etwas besser abschätzen.

Und was mache ich dann Anfang Oktober mit dem Geld?

Ich würde in Aktien investieren – natürlich gestaffelt in verschiedene Werte. Es gibt einen schönen Kostolany-Spruch: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern; verkaufen, wenn die (Friedens-)Trompeten blasen.“ Äußerst unethisch. Aber es ist so: Wenn die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am schlimmsten sind, ist der günstigste Einstiegszeitpunkt.

Also fange ich jetzt an, mit Waffen zu handeln?

Man muss ja nicht gleich übertreiben. Ich gehe davon aus, dass es Umwelt-Werte auch tun. Umweltkontor ist ein gutes Beispiel: Die Aktie steht jetzt bei unter 8 Euro. Das Unternehmen stand auch schon bei 40. Und es ist ja immer noch dasselbe Unternehmen mit den gleichen Aussichten. Das gilt stellvertretend für fast alle Umwelt-Werte, und diese Gesichtspunkte sprechen für eine lohnende Investition.

Sind die Blue Chips nicht die ideale Anlage? Die langfristigen Aussichten sind doch traumhaft.

Ich glaube, dass die Blue Chips viel anfälliger sein werden für die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der nächsten Zeit. Sie stehen im Mittelpunkt, der Fokus aller Anleger ist auf sie gerichtet. Die Zukunftsaussichten eines Papiers von SolarWorld oder Umweltkontor verändern sich nicht wesentlich durch diesen Konflikt. Im Gegenteil: Nach einem Krieg werden ethische Aspekte wieder nach vorne gekehrt. Ein anderer Aspekt ist, dass Öl teurer werden wird. . .

. . . und regenerative Energien Rückenwind bekommen?

Das ist richtig. Ähnlich wie beim Golfkrieg könnte es eines der wichtigsten Ergebnisse dieses Konfliktes sein, dass Öl wieder teurer wird. Das schlägt sich bei den Umweltaktien natürlich positiv nieder.

Trotzdem haben die Anleger Angst. Die Börsen verbreiten Panik.

Der Markt ist enorm verunsichert. Das gilt zum ersten Mal auch für die Umweltaktien, insbesondere für regenerative Energien. Allerdings geht es nicht nur um die aktuelle Krise. Die Wertpapiere sind alle von dem Abwärtstrend erwischt worden, der sich schon seit anderthalb Jahren auf den Börsenplätzen weltweit ausdrückt.

Warum sind Umweltaktien bei früheren Krisen verschont geblieben?

Das waren verschiedene Gründe, insbesondere gesetzliche Maßnahmen, die diesen Markt belebt haben. Etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Einspeisevergütung für Solar- und Windenergie gesichert hat. Das hat dazu geführt, dass diese Werte sehr hohe Gewinne verzeichnet haben.

Öko-Aktien unterlagen also besonderen Marktumständen?

Ja, bis plötzlich sehr viele von den großen Fonds in Umwelt-Werte investiert haben. Das war auch logisch: Überall sackten die Kurse ab, nur bei den Umwelt-Werten nicht. Da gab es einen Hype. Die Aktien sprangen an, viele Anleger zogen nach. Die Entwicklung verselbstständigte sich. Viele der Aktien waren jenseits von Gut und Böse in der Bewertung. Die Aktien waren damals nicht so gut, aber sie sind jetzt auch nicht so schlecht. Die Marktsituation für die Umwelt-Werte hat sich ja innerhalb eines Jahres nicht grundlegend verändert. Unternehmen wie Umweltkontor haben immer noch gute Perspektiven.

Die Aktienwerte waren aufgeblasen.

Ja. Es haben Leute investiert, die nicht wussten, wohin mit ihrem Geld.

Was mache ich jetzt mit meinen Umweltaktien? Verkaufen? Abwarten?

Schwer zu sagen. Das hängt vom Anlagehorizont ab. Wenn ich, sagen wir, den Solarzellenhersteller Sunways für 20 Euro gekauft habe, dann würde ich sie jetzt auch nicht mehr für drei Euro verkaufen.

Will heißen: Die Talsohle ist erreicht? Oder wird es bei einem Angriff der USA noch schlimmer?

Es ist doch so: Die Zeichen stehen auf Krieg. Dass jetzt noch jemand überrascht ist und seine Aktien bei Kriegsausbruch panisch verkauft, kann ich nicht glauben.

Ganz im Gegenteil: Wenn es einen Gegenschlag gibt, der nicht in der extremen Härte ausfällt, wie es alle erwarten, könnten die Märkte sehr schnell wieder anspringen. Das ist alles natürlich sehr spekulativ und sollte deshalb nicht ausschlaggebend für ein Investment sein. Die wirtschaftlichen Rahmendaten sind entscheidend.

Trotzdem sollten wir nicht außer Acht lassen, dass es keinen Krieg wie den Golfkrieg geben wird. Es wird dem gegenüber ein langwieriger und kostenaufwändiger Konflikt werden, der die Staatshaushalte sicher sehr stark belasten wird. Das kann bedeuten, dass die Weichenstellung für verschiedene Wirtschaftsbereiche nachlässt. Das könnten dann auch die regenerativen Energien und in der Folge damit auch die Umweltaktien treffen.