ROT-GRÜN FORDERT MEHR SOZIALE KOMPETENZ IM RICHTERAMT
: Robenträger sollen das Leben kennen

Richterin A ist 25 und wurde nach vierjährigem Studium und zweijährigem Referendariat gerade frisch eingestellt. Mit Kieksstimme versucht sie, den vermeintlichen Safeknacker zu einem Geständnis zu überreden. Der lacht nur und nennt sie „mein Kind“. Sie wird rot und verurteilt ihn aufgrund der Beweislage.

Richter B ist ebenfalls frisch eingestellt, aber schon 27 Jahre alt, auch wenn er nicht so aussieht. Er hat exzellente Noten und muss nun die Streitigkeiten zwischen senilen Vermietern und beleidigten MieterInnen klären. Seine ständigen Verweise auf die „höchstrichterliche Rechtsprechung“ verstehen die Streithähne nicht, und sie bringen auch das Verfahren nicht weiter.

So macht es Sinn, bei der Einstellung von RichterInnen nicht nur auf die Noten zu achten, sondern von ihnen auch – wie jetzt von Rot-Grün geplant – „soziale Kompetenz sowie Lebens- und Berufserfahrung“ einzufordern. Eine RichterIn kann sicher mehr zum Rechtsfrieden beitragen, wenn er oder sie souverän auftritt und weiß, wie man mit Menschen umgeht. Rot-Grün will nun aber eine ausdrückliche Regelung im Gesetz. Da stellt sich die Frage, wie man Lebenserfahrung definiert und soziale Kompetenz misst. SPD und Grüne haben es sich leicht gemacht und stellen letztlich nur auf zusätzliche Berufserfahrung ab: Wer Richter werden will, muss vorher zwei Jahre als Anwalt oder in einem anderen juristischen Beruf gearbeitet haben.

Als Lebenserfahrung wird also nicht gewertet, wenn eine Frau zuerst Schlosserin gelernt, dann auf dem Bau gearbeitet und schließlich Jura studiert hat. Sie mag bereits 43 sein, für eine Tätigkeit als Richterin müsste sie nach rot-grüner Ansicht erstmals wirkliche Lebenserfahrung sammeln – und das geht angeblich nur in juristischen Berufen. Das Gleiche gilt für den Mann, der drei Kinder großgezogen hat und sieben Jahre lang im Beirat seiner Kinderkrippe engagiert war. Jetzt hat er doch noch sein Studium abgeschlossen, ist 35 Jahre alt und muss sich von Rot-Grün sagen lassen, dass seine soziale Kompetenz für das Richteramt nicht ausreicht.

Das Leben ist zu vielschichtig, um Lebenserfahrung und soziale Kompetenz definieren zu wollen. Deshalb sollten es die Reformer besser bei einem Appell an die Einstellungsbehörden belassen, nicht nur auf die Examensnoten zu schauen. Die Kern-Berufserfahrung bekommen RichterInnen ohnehin vor allem im Richteramt. Und älter werden sie von ganz alleine. CHRISTIAN RATH