hilfe für afghanistan
: Geteilte Großzügigkeit

Es gibt wichtige und unwichtige Flüchtlinge. Es gibt Afghanen, für deren Versorgung hunderte von Millionen Dollar zugesagt werden, bevor sie überhaupt geflohen sind. Und es gibt Kongolesen, Somalis und Burunder, deren Lebensmittelrationen gekürzt werden, weil die Hilfsorganisationen kein Geld haben. Die Afghanistan-Geberkonferenz in Genf am Wochenende versprach frohgemut 210 Millionen Dollar humanitäre Hilfe und weitere 406 Millionen für unspezifizierte Zwecke. Zugleich droht im Kongo der Beginn des Dialogs zwischen den Kriegsparteien am Fehlen von 5,4 Millionen Dollar zu scheitern. Und das UN-Welternährungsprogramm WFP startet Notappelle, um 378.000 Dollar für seine Luftbrücke für die Kriegsvertriebenen im kongolesischen Katanga zusammenzukratzen.

Kommentarvon DOMINIC JOHNSON

Natürlich ist es nicht falsch, dass für die sich abzeichnende Verschärfung der humanitären Krise in Afghanistan jetzt Milliardenhilfen in Aussicht gestellt werden. Im Gegenteil. Peinlich dabei ist nur, dass die Geber vor dem 11. September die Afghanistan-Appelle der Hilfsorganisationen genauso ignorierten wie heute die aus Afrika. Zudem decken die neuen Gelder zum Teil Folgekosten des drohenden Krieges – die UN hat kalkuliert, dass als Ergebnis eines Militärschlages die Zahl der Notleidenden in Afghanistan von 5,5 auf 7,5 Millionen Menschen steigen könnte. Grund für die Großzügigkeit von Genf ist nicht die Überlebensnot der Afghanen, sondern die Erklärungsnot der Regierungen.

Dazu kommt die simple Idee, man brauche nur Lebensmittel und Zelte über Afghanistan abzuwerfen statt Bomben und Raketen, und die Leute dort würden sich dankbar und glücklich an den bisher von bösen Islamisten hintertriebenen Aufbau eines friedlichen Landes machen. Viele Kriegsgegner sehen das genauso. Aber Soldaten und Hilfspakete zu verschicken und eine innerafghanische Warlord-Fraktion gegen die andere aufzurüsten ersetzt nicht die Notwendigkeit, jenseits von Exilanten und Interessengruppen die afghanische Bevölkerung selbst zur Zukunft ihres Landes anzuhören.

In dieser Richtung kommt von der globalen Anti-Terror-Koalition bisher wenig. Bei ihren Zielen kommen Begriffe wie Demokratie nicht vor. Das wenigstens eint die Afghanen mit den Bewohnern afrikanischer Kriegsgebiete, die viel von der auswärtigen Mischung aus Aufdringlichkeit und Ignoranz bereits hinter sich haben, die den Völkern Zentralasiens wohl noch bevorsteht.

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