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: Nach dem 11. September suchen viele Verlage die Rückkehr zum Politischen – auch auf der Buchmesse

Festung Frankfurt

Überlegungen über eine Absage soll es gegeben haben. Doch nach einer wohl eher kurzen Diskussion galt für die Frankfurter Buchmesse, was beispielsweise auch die Fußballbundesliga nach den Anschlägen in den USA für sich in Anspruch nahm: Keinen Fuß breit den Terroristen! Man dürfe sich von „feigen Terroranschlägen nicht in die Knie zwingen lassen“, sagte der Direktor der Buchmesse, Lorenzo Rudolf, und appellierte an „unsere Pflicht, diesen Angriffen auf Grundwerte die Stirn zu bieten“.

Die 53. Buchmesse also findet statt, ist wieder „Marktplatz der Ideen“ (Eigenwerbung) im gewohnt großen Rahmen: mit dieses Mal über 6.700 Ausstellern aus 105 Ländern und erwarteten rund 300.000 Besuchern, mit viel Markt und nicht ganz so vielen Ideen. War aber schon nach dem 11. September die Rede von „verschärften Sicherheitsmaßnahmen“, von doppelt so viel Sicherheitspersonal wie üblich und Taschenkontrollen am Einlass, so dürften die Anstrengungen in dieser Hinsicht nach den US-Angriffen auf Afghanistan noch größer werden: Frankfurt, eine Festung.

Die „Schlacht“, die laut George W. Bush jetzt begonnen hat, bestätigt aber vielleicht auch Lorenzo Rudolfs Einschätzung, dass diese Messe „eine nachdenkliche und sehr politische“ werde. Gemäß der Devise „Raus aus den Elfenbeintürmen“, die die Mitgliederversammlung der Berliner Akademie der Künste vor kurzem ausgegeben hat, debattierten deutsche Schriftsteller schon im Vorfeld: Hier Günter Grass, der in einem Interview durchaus im Sinne von Uli Wickert sagte, die „Gut-Böse-Kategorien“ von George W. Bush seien „religiös fanatisch“ grundiert, dort Botho Strauß, der im Spiegel den „Kampf der Bösen gegen die Bösen“ ausgemacht hat.

Vor diesem Hintergrund werden in Beiträgen, Reden und Diskussionen auf der Buchmesse sicher noch viele gewichtige Dichterworte zu vernehmen sein. Doch auch die Verlage haben reagiert: Rowohlt präsentiert einen Sammelband mit literarischen und analytischen Beiträgen über die Anschläge – dabei u. a. Paul Auster, Susan Sonntag, John Updike oder Irene Dische; bei Ullstein gibt es ein aktuelles Taschenbuch über Ussama Bin Laden; und die Verlage, die nicht so schnell in der Lage waren, ihr Programm zu aktualisieren, werden die Bücher, die sich mit dem Islam, dem Terror und dem Kampf der Kulturen beschäftigen, in den Vordergrund rücken.

Etwas in Mitleidenschaft geraten dürfte unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse der Länderschwerpunkt der Messe, Griechenland. Da mag das Feuilleton in den letzten Tagen schöne und ausführliche Überblicke über die griechische Literatur gegeben haben, da mag das Land mit 70 Ausstellern und rund 60 Autoren vertreten sein und es auch sonst griechische Kulturtage galore geben, da mag man sich selbst finster entschlossen sagen: Warum nicht mal einen griechischen Roman lesen? Doch am Ende der Buchmesse wird es der griechischen Literatur so gehen wie ihren zahlreichen Vorgängerinnen: Aus den Augen, aus dem Sinn. Folgerichtig wird nach Litauen im nächsten Jahr und Russland 2003 das Konzept der Länderschwerpunkte aufgegeben und durch ein anderes ersetzt. Geistesgrößen aus aller Welt sollen vom nächsten Jahr an die „großen Zukunftsfragen“ der Menschheit diskutieren.

Doch trotz Terror und Krieg, trotz der großen Zukunftsfragen und nicht zuletzt der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Jürgen Habermas am kommenden Sonntag – auch durch die Niederungen des Buchmarktes schreitet die diesjährige Messe wieder aufrechten Ganges: Dolly Buster stellt einen Krimi vor, in dem sie eine Figur ihrer Kollegin Teresa Orlowski nachempfunden hat; der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat sich an einem Remake von „Romeo und Julia“ versucht und, sagt dpa, im „breitesten Schwäbisch verballhornt“. Und auch Naddel zeigt, dass die Jahre mit Dieter Bohlen nicht ganz umsonst waren: mit einem Kochbuch. GERRIT BARTELS