Uni-Profs nicht wegzukriegen

Der Bundestag debattiert einen neuen Hochschullehrer-Typus: den Juniorprofessor. Die Bildungspolitiker sollte es den Gegnern der charmanten Reform nicht zu leicht machen

Juniorprofessorenwären mit Anfang 30so selbstständigwie Netzdesignermit Anfang 20

Wenn ein deutscher Professor einen anderen Professor anspricht, sagt er „Herr Kollege“, gegebenenfalls „Frau Kollegin“. Darauf müssen jene Gelehrten, die womöglich klüger, aber nicht mit einem ProfessorInnentitel ausgestattet sind, verzichten. Sie sind nur, zum Beispiel, „Herr Dr. Schulz“ oder „Frau Dr. Müller“.

Man sollte solche Feinheiten nicht unterschätzen. Darin drückt sich eine Menge aus: ob jemand Forschungsanträge stellen kann oder zu Gutachten gebeten wird, ob er oder sie an der Verteilung von Institutsressourcen zu Gunsten oder zu Ungunsten bestimmten Forschungsgegenstände mitwirkt, ob man in Berufungskommissionen sitzen darf, Doktorandenstellen zu vergeben hat oder auch ob man auf subtile Art MitarbeiterInnen nötigen kann, sich an unsauberen, weil unter Zeitdruck durchgeführten Experimenten zu beteiligen, bei denen am Ende die Daten hingebogen werden, damit der Auftraggeber nichts merkt.

Die freie Entfaltung des Professors geschieht auf Kosten der NichtprofessorInnen. Während dieser biografisch seine Produktivitätsspitze meist überschritten hat – wenn er auch manches durch Erfahrung wettmacht –, sind jene meist in ihrer kreativsten Lebensphase. Manche Professoren sind nett, aufgeschlossen und großzügig, dann ist das Hierarchiegefälle kein Problem. Andere sind es nicht, dann kann sich die Abhängigkeit desaströs auswirken.

Um hier zu einer Lösung zu kommen, gäbe es einen einfachen Weg: die Abschaffung der Professoriat. Etwas Besonderes ist dieses ohnehin nicht mehr. Seit der Hochschulexpansion in den 70er-Jahren und seitdem es Fachhochschulen gibt, hat sich das Professoriat zur Massenbewegung entwickelt. 39.000 Profs gibt es in Deutschland. Dennoch hat der Titel nach wie vor ein außergewöhnliches Sozialprestige. Jenseits der Hochschulmauern hält sich hartnäckig der Glaube, ein Professor sei zwingend überdurchschnittlich klug und begütert. In den Hochschulen weiß man es besser. Dennoch ist der Titel und die Institution der Professur sakrosankt. Was also tun?

Nun, was sich nicht abschaffen lässt, das kann zumindest durch Inflationierung unwichtiger gemacht werden. Man sollte also am besten alle oder, wenn das nicht geht, möglichst viele zu Professoren ernennen. Das kehrt auf Dauer die Hierarchiepyramide um, bis diese die Balance verliert, auf die Seite fällt und Oben und Unten gründlich durcheinander wirbelt.

Die Juniorprofessur, in diesem Herbst im Bundestag diskutiert, könnte ein Schritt dahin sein. Statt bis Mitte 40 als „Nachwuchswissenschaftler“ zu gelten und allseits flexibel zwischen Forschungsprojekten und Arbeitsamt hin und her zu turnen, wären die WissenschaftlerInnen demnächst mit Anfang 30 so selbstständig, wie es ProgrammierInnen und NetzdesignerInnen schon mit Anfang 20 sind. Die Juniorprofessur könnte dazu beitragen, die traditionelle akademische Machtmechanik außer Kraft zu setzen.

Eine Juniorprofessorin, anders als die Assistentin, kann der altgediente Ordinarius nicht zum Kopieren schicken, sondern hat sie an Promotionsverfahren zu beteiligen. Die so erzeugte Selbstständigkeit hat natürlich auch einen Nötigungseffekt. Wer sich selbst kümmern muss, weiß anschließend, wie es geht. Wer sich frühzeitig selbst kümmern muss, wird mit manchen Anforderungen nicht erst in einem Alter konfrontiert, in dem er oder sie sich kaum noch ändert. Professoren und Professorinnen sollen ja schließlich vieles zugleich sein: gut in der Forschung wie in der Lehre, begeistert in der Selbstverwaltung, erfolgreich im Netzwerkmanagement und bei der Drittmitteleinwerbung, hinreichend fintenreich gegenüber der Hochschulverwaltung, gelassen und kompetent in partnerschaftlicher Mitarbeiterführung, dazu souveräne Instrumentalisten auf allen neuen Medien, kognitive Innovateure wie auch unablässige Erzeuger öffentlicher Resonanz und nimmermüde Übersetzer wissenschaftlicher Fragestellungen auf gesellschaftliche Relevanzbedürfnisse hin.

Ein paar Voraussetzungen müssen dafür freilich gegeben sein. Fehlen sie, dann werden sich kaum allzu viele finden, die nicht nur Prof werden wollen, sondern auch noch ein paar der vielfältigen Anforderungen auf die Reihe kriegen. In den 70er-Jahren gab es schon einmal etwas Ähnliches wie die Juniorprofessur, die Assistenzprofessur. Akzeptanz hatte die seinerzeit nicht gefunden. Sie wurde folglich wieder abgeschafft.

Nun muss man Fehler nicht noch einmal machen, sondern kann sie auch produktiv auswerten. Also, erstens: Die Habilitation muss so unattraktiv gemacht werden, dass sie keine Chance hat, das Anliegen der Laufbahnreform zu unterlaufen. Bleibt die Habilitation als gleichberechtigte Variante des Zugangs zur Professur erhalten, dann wird sie in Besetzungsverfahren weiterhin bevorzugt werden. Denn es sind habilitierte Professoren, die diese Verfahren dominieren. Ersatzweise lässt sich zweierlei tun. Entweder wird die Habilitation in den Hochschulgesetzen gar nicht mehr erwähnt. Oder von den Habilitierten wird verlangt, nicht nur einen Forschungsnachweis zu erbringen, sondern gleichrangig noch zwei weitere Nachweise: einen für Lehrbefähigung – da reicht die bisherige Probevorlesung nicht aus – und einen für Managementfertigkeiten, zum Beispiel eine erfolgreiche Projektleitung. Wem das zu viel der Anforderungen ist, kann sich ja auf eine Juniorprofessur bewerben. Und wer allein für gutes Netzwerkmanagement talentiert oder nur ein sehr guter Forscher ist, ist ehrenwert, aber unzureichend qualifiziert. Er oder sie sollte einen Platz im Hochschulmanagement oder an einem Max-Planck-Institut finden.

Zweitens: Bitte keine Billigprofessuren mit voller Leistung für zwei Drittel der Besoldung.

Professoren sollten Lehrbefähigungund die Fähigkeit zum Managementnachweisen

„Kostenneutralität“ klingt wie ein Scherz, wenn ein bislang betoniertes Karrieremuster gegen nahe liegende Widerstände aufgebrochen werden soll. Einfacher kann man es den Gegnern dieser Reform kaum machen, Gegenargumente zu finden.

Drittens: Die Zahl der Gegner sollte nicht ohne Not erweitert werden. Die frisch Habilitierten oder sich gerade Habilitierenden wissen um die Vorteile des neuen Modells. Aber sie haben keine Lust, dessen erste Opfer zu werden. Wenn es akzeptable Lösungen gibt, dann wird die Personalreform eine stabile Fraktion an Unterstützern in den Hochschulen haben – und die kann sie bei den derzeitigen Kräfteverhältnissen gut gebrauchen. Auf zwei Juniorprofessuren jeweils eine Stellenbesetzung mit einem oder einer Habilitierten, und das zehn Jahre lang, könnte ein Weg sein. Damit behalten nicht nur die bereits Habilitierten faire Chancen. Zugleich wird eine ausgewogene Altersmischung sichergestellt.

Eine Reform in den Sand zu setzen wird nicht dadurch vermieden, dass sie gut gemeint ist. Sondern weil das gute Ziel mit angemessenen Instrumenten verfolgt wird und weil die Rahmenbedingungen darauf abgestimmt sind. Und wenn es diesmal doch wieder nicht klappen sollte, nun ja, dann wird sich vielleicht 2025 erneut eine Gelegenheit bieten. PEER PASTERNACK