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: Kriegerischer Konjunktiv

Die Sprache ist wolkig, die Worte sind dürres Bürokratendeutsch: Die CSU glaubt, dass die „Konkretisierungsphase“ der militärischen Beteiligung der Deutschen begonnen habe. Kanzler Schröder sagte gestern, dass Deutschland „schon in Kürze auch militärische Hilfe“ leisten muss. Ist das die Ankündigung, dass die Bundeswehr nach Afghanistan geht?

Kommentarvon STEFAN REINECKE

Schröder bietet bereits seit Wochen den USA jede, also auch militärische Unterstützung an. Bisher schien dies eher eine rhetorische Solidarisierungsformel zu sein. Denn aus dem Kosovokrieg haben die Amerikaner gelernt: Wenn zu viele mitreden, wird es lästig. Doch die Deutung, dass Rot-Grün nur Rhetorik im Sinn hat, steht auf wankendem Boden – seit gestern mehr als vorgestern. Eine neue Lesart drängt sich auf: Wir werden darauf vorbereitet, dass vieles, sehr vieles möglich ist.

Die Ankündigungen klingen neblig, noch immer regiert der Konjunktiv – aber sie verfehlen ihren Effekt nicht. Wir gewöhnen uns an Unvorstellbares. Kein Krieg kommt ohne vorherige Szenarien aus, die den Schock des militärischen Einsatzes mildern, die ihn handhabbar, erwartet, irgendwie vertraut erscheinen lassen. Das gilt gerade in Deutschland, wo weit über die Friedensbewegung hinaus eine lagerübergreifende pazifistische Grundstimmung herrscht. Schröder rühmt sich, der militärischen Normalisierung Deutschlands den Weg geebnet zu haben. Wir sind erwachsen geworden – das war der Tenor seiner Regierungserklärung. Und er meint es ernst.

Falls deutsche Soldaten in Afghanistan eingesetzt werden, dürfte die rot-grüne Verbindung abrupt in einen anderen Aggregatzustand übergehen: vom langsamen Verdampfen in die explosive Verflüchtigung. Keine Feuerpause, um den Flüchtlingen zu helfen, stattdessen „Germans to the front“ – das muss die Grünen zerreißen.

Wir wissen nicht, ob es dazu kommt. Dramatisch stimmt allerdings die gestrige Erklärung des Verteidigungsministers. Es gebe, so Scharping, nicht „den Hauch eines Ansatzes“ für eine deutsche Beteiligung. Kürzlich hatte Scharping orakelt, dass die Nato „heute den Bündnisfall“ ausrufen werde. Nichts geschah. Als die Nato dann den Bündnisfall ausrief, schwieg Scharping. Danach spekulierte Scharping über einen bevorstehenden Bundeswehr-Einsatz, es hagelte Dementis. Wenn die Scharping-Formel stimmt – stets ist das Gegenteil der Fall – können die Grünen schon mal die Oppositionsbänke ins Auge fassen.