„Gediente“ sind bedient

Seit den Angriffen auf Afghanistan wollen immer mehr Bundeswehr-Reservisten den Kriegsdienst verweigern

BREMEN taz ■ Die Zahl der Bundeswehr-Reservisten, die den Kriegsdienst verweigern wollen, wird vermutlich rapide steigen. Darauf deuten Daten der „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ mit Sitz in Bremen hin. Die Beratungsstelle verzeichnete seit den Terroranschlägen in den USA deutlich mehr Anfragen an ihre Online-Beratung. Während sich im Jahr 2000 nur 50 „Gediente“ nach den rechtlichen Möglichkeiten der Verweigerung erkundigten, waren es in den vier Wochen nach den Anschlägen rund 150. Daraus schließt die Zentralstelle auf entsprechend höhere Verweigerer-Zahlen. Im Jahr 2000 hatten rund 700 Reservisten den Dienst verweigert. 2001 könnten es angesichts der US-Militärschläge und einer möglicherweise drohenden Beteiligung der Bundeswehr 3.000 werden.

“Menschen lernen dazu“, erklärt Peter Tobiassen, Geschäftsführer der Zentralstelle, die späte Entscheidung der Reservisten gegen den Waffendienst. Auch wenn das Risiko, in Afghanistan eingesetzt zu werden, für Reservisten gering sei, würden viele äußern: „Unter Stichworten wie Vergeltung, Rache, Kreuzzüge oder Krieg gegen den Islam mache ich das nicht mehr mit.“

Auch bei den „Ungedienten“ ist der Beratungsbedarf spürbar gestiegen: Vom 11. September bis zum 15. Oktober wandten sich 250 junge Wehrpflichtige über das Internet an die Zentralstelle, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 160 gewesen. Das Verteidigungsministerium hat noch keine aktuellen Zahlen veröffentlicht, die die Effekte des 11. September berücksichtigen könnten. Die Septemberzahlen werden Mitte Oktober veröffentlicht. Birgit Loga aus der Pressestelle des Ministeriums betont jedoch, aus den Daten ließen sich keine Tendenzen entnehmen. „Das Golfkriegs-Syndrom haben wir diesmal nicht.“ www.zentralstelle-kdv.de JAN KAHLCKE