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: Kandidat für die Spiele 2012 ist: Stuttgart

Behäbigkeit ohne Trallala

Am 3. November wird das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) bekannt geben, ob es sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bewerben wird. Wie die Entscheidung ausgeht, scheint bereits abgemachte Sache, spannend ist allein noch die Frage: Welcher deutschen Stadt traut das NOK zu, gegen Metropolen wie Rom, New York oder Paris bestehen zu können? Die taz nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Heute: Stuttgart.

Eines muss man den Schwaben lassen: Organisieren, das können sie. Nette Kleinigkeiten wie eine Leichtathletik- oder eine Rad-WM? Kein Problem. Aber auch die großen Dinge, die Dinge auf die es wirklich ankommt, organisiert der Schwabe wie nix. Papier und Bleistift zum Beispiel – damit man dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer mal schnell ein paar Sportlern aufschreiben kann, die dringend der Förderung bedürfen. So einfach geht das hierzuländle.

Sport und Wirtschaft im reichen Baden-Württemberg, das ist eine famose Verbindung. Oder etwa nicht? Wenn Stuttgarts vorolympischen Träumen bisher bundesweit überhaupt irgendwelche Stärken zugeordnet werden, dann ist das vor allem die Wirtschaftskraft. Großunternehmen wie DaimlerChrysler, IBM, Porsche und Bosch haben hier ihren Sitz, und zumindest die deutsche Olympiakonkurrenz scheint davon beeindruckt. In der Region selber dagegen wird kräftig gemault – weil die Verbindung zwischen Sport und Wirtschaft gar nicht so famos ist. Bei einer Podiumsdiskussion der Deutschen Olympischen Gesellschaft platzte kürzlich dem Leiter des Stuttgarter Olympiastützpunktes der Kragen. Karl Link raunzte IHK-Chef Günter Baumann an, weil der die Hilfe der Wirtschaft erst in den Jahren vor den Olympischen Spielen 2012 in Aussicht gestellt hatte, was Link viel zu spät ist. „So lange“, befand Link, „können wir nicht warten. Die Olympiakandidaten für 2012 trainieren nicht erst in den nächsten Jahren, sie trainieren jetzt.“

Problem eins: Stell dir vor, Olympia ist in Stuttgart – und kein schwäbischer Athlet geht hin. Der Grund ist Problem zwei: Aus Stuttgart kommt Spitzentechnologie, aber schon lange kein Spitzensport mehr. „Man hat den Eindruck, dass die schwäbischen Unternehmer auf Grund ihrer pietistischen Einstellung lieber ins Kultur- als ins Sportsponsoring einsteigen“, sagt Rainer Brechtken, der Präsident sowohl des Deutschen als auch des Schwäbischen Turnerbundes. Es werde aber langsam höchste Eisenbahn, dass in die Stuttgarter Olympiabewerbung Schwung komme – und zwar beileibe nicht nur wirtschaftlicher.

Nun ist das mit dem Schwung in Stuttgart so eine Sache. Die Herren Teufel (Ministerpräsident) und Schuster (Oberbürgermeister) nämlich sind von Glanz, Glamour und Temperament ungefähr so weit entfernt wie Otfried Fischer (Bulle von Tölz) vom 100-m-Weltrekord. Und auch der vergangenen Donnerstag vom Gemeinderat zum Chef der Stuttgarter Olympia GmbH gekürte Raimund Gründler ist eher ein solider Schaffer als eine Lichtgestalt. Das allerdings haben die Olympioniken im Land erkannt – und ihr Manko flugs zum Prinzip erhoben: „Wir wissen, dass man mit Schau und Trallala keine Olympiabewerbung gewinnt, sondern mit gesicherten Fakten und schlüssigen Konzepten“, sagt Raimund Gründler. Und so überlegen die Schwaben, was denn ein schlüssiges Konzept sein könnte.

Eines steht schon fest: Olympia in Stuttgart soll ein Olympia der allerkürzesten Wege werden – mit einem Zentrum rund um den Cannstatter Wasen. Das Daimlerstadion soll nach der Fußball-WM 2006 auf ein Fassungsvermögen von 80.000 Zuschauern ausgebaut werden, daneben soll die bisher nur diskutierte riesige Robert-Bosch-Halle die schon bestehende Hanns-Martin-Schleyer-Halle ergänzen. Das olympische Dorf soll auf dem Güterbahnhof errichtet werden, eine Mehrzweckhalle bei Mercedes Benz, ein Schwimmstadion auf dem Gelände der Neckarwerke und so weiter und so fort. „100 der rund 300 Entscheidungen könnten hier stattfinden“, sagt Gründler, die anderen am zweiten Veranstaltungsort, der neuen Messe auf den Fildern, quasi gleich um die Ecke.

Während in den anderen Bewerberstädten vor lauter Selbstbewusstsein fast schon der Zuschlag gefeiert wird, strotzt man in Stuttgart dagegen vor allem vor einem: vor Behäbigkeit. Die Kandidatur müsse von Nachhaltigkeit geprägt sein, sagt der Oberbürgermeister, der Sport und die Bürger müssten auch von einem erfolglosen Bemühen profitieren. Eine Materialschlacht jedenfalls, „machen wir nicht mit“, sagt Schuster. Die Stadt, das Land und die Region Stuttgart greifen dennoch ganz ordentlich ins Sparkässle: 15 Millionen Mark stellen sie der Olympia GmbH für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung. MATTHIAS HOHNECKER