liquidität, leistungen etc.
: Flüche und Verwünschungen: Der Haffmans Verlag ist pleite

Nach den Herzgewächsen

Was lange währt, wird endlich schlecht. Seit zehn Jahren kursieren Gerüchte, Gerd Haffmans sei ein Verleger, der am Limit operiere; sprich, sein Haffmans Verlag habe Geldprobleme. Im Frühjahr dieses Jahres widmeten sich große Schweizer Zeitungen einer „Affäre Haffmans“. Und nun ist es klar: Haffmans ist pleite, sein Verlag geht in Konkurs.

Wer derzeit in dieser Sache unter Autoren und Branchenkennern herumtelefoniert – bei Haffmans selbst nimmt niemand ab –, stößt auf drei Reaktionen. Erstens auf ein resigniertes Zur-Kenntnis-Nehmen des Konkurses. Das musste irgendwann so kommen, so der einhellige Tenor. Zweitens stößt man auf Flüche und Verwünschungen. Das Geschaftsgebaren Gerd Haffmans scheint gelinde gesagt unkonventionell gewesen zu sein, unter seinen Autoren hat sich viel Wut angesammelt. Schon die Frühjahrsaffäre hatte der Kaberettist Gerhart Polt durch die Behauptung ins Rollen gebracht, Haffmans würde Honorare zu spät oder sogar „zum Teil überhaupt nicht“ auszahlen.

Damals hatte Haffmans von „Verleumdung“ gesprochen. Sollte der Nochverleger diesen Vorwurf nun wiederholen, hätte er eine überwältigende Anzahl von Zeugen gegen sich. Gisbert Haefs, 13 Jahre lang dem Verlag verbunden, lässt sich inzwischen von der FAZ mit dem Satz zitieren: „Wenn auch nur ein Zehntel dessen, was er [Haffmans, d. Red.] sich geleistet hat, in diesem Konkursverfahren auf den Tisch kommt, dann gibt ihm niemand mehr Geld.“ Niederschmetternder kann man über einen Verleger nicht urteilen.

Drittens stößt man aber auch auf Besorgnis. Man muss nämlich kein Freund Gerd Haffmans sein, um seine Leistungen als Verleger anzuerkennen. Dies war ja nicht nur der Verlag der Neuen Frankfurter Schule. Auch die britischen Hochkomiker David Lodge und David Sedaris publizieren hier. Außerdem hätte es ohne Haffmans eine ganze Reihe ebenso schwieriger wie verdienstvoller Editionen nicht gegeben, von Hans Wollschlägers großem Werk in der Arno-Schmidt-Tradition „Herzgewächse“ bis hin zu den Büchern von Wladimir Sorokin und Daniel Charms, die sich hier durchsetzten.

Henscheid und der Starautor Max Goldt publizieren inzwischen beim Alexander Fest Verlag. Die Arno-Schmidt-Edition wird, wie auf der Buchmesse verkündet, von Suhrkamp fortgeführt. Ob die übrigen Glanzstücke des Verlages nach seinem Ende von anderen Häusern aufgefangen werden, ist allerdings mehr als fraglich. Nicht überall hat avancierte Unterhaltungsliteratur einen so guten Stand wie hier.

Doch es hilft alles nichts. Wenn nur ein Bruchteil der kursierenden Vorwürfe stimmt, dann hat Gerd Haffmans – Liquidität hin oder her – sein Limit überschritten. Die Richtigkeit der Verlagsabrechnungen wird unisono angezweifelt. Von Taschenbuchrechten, die gegen den ausdrücklichen Willen der Autoren meistbietend versteigert wurden, ist die Rede. Wenn zum Konkursverfahren noch eines wegen Betrugs hinzukommen sollte, wäre das nicht unbedingt eine Überraschung.

Es war Gerd Haffmans selbst, der sich in Zeiten der Verlagskonzentration gelegentlich als letzter großer deutschsprachiger unabhängiger Verleger pries – und mit diesem Spruch Solidarität einforderte. Tatsächlich hätte sein Verlag zu einem Haus werden können, hinter das man sich in Krisenzeiten ohne Wenn und Aber gestellt hätte.

Wie die Dinge nun aber einmal liegen, kann man schlussfolgern, dass Unabhängigkeit allein keine ausreichende Geschäftsgrundlage darstellt.

DIRK KNIPPHALS