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: Nicht nur Ciprobay hilft bei Milzbrand

Antibiotika

Das von Bayer produzierte Antibiotikum Ciprofloxazin (Ciprobay) ist seit den Terrorattacken mit Milzbrand das Medikament, von dem die Welt spricht. Ciprofloxazin gehört zu der Antibiotikagruppe der Fluorchinolone, der so genannten Gyrase-Hemmstoffe: Die Gyrase ist ein wichtiges Enzym, das Bakterien für ihren DNA-Aufbau benötigen. Eingesetzt wird es bei unterschiedlichen bakteriellen Infektionen, wie Lungen- oder Nierenentzündungen. Vor allem bei Infektionen mit dem Erreger Pseudomonas aeruginosa, einem wegen seiner Komplikationen gefürchteten Erreger von Infektionen im Krankenhaus. Zum Einsatz kommt Ciprofloxacin oft erst, wenn andere Antibiotika versagt haben. 1999 wurde es in den USA anlässlich einer Biowaffenkonferenz als Mittel der Wahl bei Anschlägen mit Anthrax empfohlen. Was damals ein Planspiel war, ist heute Realität; inzwischen schaltet Bayer in den USA ganzseitige Anzeigen, mit denen die Firma mitteilt, dass sie Ciprobay sieben Tage die Woche unerlässlich produziert.

Allerdings helfen auch andere Antibiotika gegen Milzbrand. Seit zwei Wochen raten die US-Behörden, auch Penicillin und Doxycyclin einzusetzen. Doxycyclin zum Beispiel ist billiger und in höheren Mengen verfügbar als Ciprofloxacin, und zu groß ist die Gefahr einer Resistenzentwicklung gegen Ciprofloxacin bei potenziell millionenfachem Gebrauch: Ein Wirkungsverlust nicht nur bei Milzbrand wäre die Folge, sondern auch bei anderen Infektionen. Abgesehen davon, dass das Spektrum der Nebenwirkungen bei Ciprofloxacin kein kleines ist. Mehr noch, alle Antibiotika sind besonders spezifische Medikamente: wirkungsvoll, aber nicht ohne Risiko hinsichtlich Nebenwirkungen und vor allem Resistenzen.

Die ersten Therapeutika zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten überhaupt waren die Sulfonamide, die 1933 das erste Mal klinisch erfolgreich eingesetzt wurden. Sie verloren an Bedeutung, als Anfang der 40er-Jahre der Siegeszug der Penicilline begann. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte man den hemmenden Einfluss bestimmter Pilzarten auf das Wachstum von Bakterien. Doch erst in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts gab es Forschungen mit therapeutischen Konsequenzen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde in den USA dann aus Kulturen des Pilzes Penicillium notatum erstmals Penicillin großtechnisch gewonnen und eingesetzt.

Der Vorteil der Antibiotika ist, dass sie bei für Menschen tolerablen Konzentrationen in Stoffwechselprozesse eingreifen können, die es nur bei Mikroorganismen wie den Bakterien gibt. Richtig dosiert wirken sie gezielt gegen diese, der Makroorganismus nimmt keinen Schaden. Was nicht ausschließt, dass Antibiotika oft dosisabhängig starke Nebenwirkungen beim Patienten verursachen können. Am bekanntesten ist da vielleicht die Penicillinallergie.

Nach der Entdeckung des Penicillins wurden zahlreiche andere, bakteriostatisch wirksame, also das Wachstum der Bakterien hemmende Antibiotika entwickelt, wie die Tetracycline oder Chloramphenicol, oder bakterizid wirksame, also Bakterien abtötende Antibiotika wie weitere Penicillin-Abkömmlinge, die Cephalosporine oder Aminoglykoside. Sie alle greifen an unterschiedlichsten Stellen das Bakterium an. Sie hemmen den Zellwandaufbau von Bakterien (z. B. Penicillin), sie stören die Bakterien bei der Eiweißproduktion (z. B. Makrolide oder Aminoglykoside) oder direkt beim DNA-Aufbau (Ciprofloxacin). Wirksam sind sie vor allem im Stadium der bakteriellen Vermehrung.

Den vielen Antibiotika steht nun eine große Anzahl von flexiblen Keimen gegenüber, die Resistenzen entwickeln können. Es gibt natürliche Resistenzen, also genetisch bedingte Unempfindlichkeiten, und primäre Resistenzen, bei denen ein Teil des Bakterienstammes einer Art resistent ist, ein anderer empfindlich. Vor allem aber gibt es die sekundäre Resistenz, die durch Selektion und Mutation unter Antibiotikawirkung auftritt, und die so genannte übertragbare Resistenz, bei der Bakterien ihr genetisches Material untereinander austauschen. Vor allem die massiven Antibiotikaanwendungen in Krankenhäusern haben zu einem hohen Selektionsdruck und breitesten Resistenzentwicklungen geführt – besonders Stämme der Staphylokokken gehören zu den am schwierigsten zu behandelnden Erregern: 15 bis 20 Prozent von ihnen lassen sich mit gängigen Mitteln nicht mehr bekämpfen.

Verhindern oder besser vermindern lassen sich Resistenzen nur, wenn der Antibiotikaverbrauch stärker eingeschränkt wird – im medizinischen und auch im außermedizinischen Bereich (Stichwort Tiermast, bei der Antibiotika nicht nur als Medikamente eingesetzt werden, sondern gern auch als „Leistungsförderer“). So sollte nicht gleich bei jeder Erkältung zu Antibiotika gegriffen werden; so sollten die Indikationen präzise gestellt werden – am besten wären vorherige Erregerbestimmungen, wozu leider nur selten Zeit ist); und so sollte die Behandlung nicht unterdosiert, zu kurz oder in Intervallen erfolgen. Klar ist es da, dass der Einsatz von Ciprofloxacin, Penicillin oder Doxycyclin nur bei begründetem Verdacht auf Milzbrand Sinn hat. GERRIT BARTELS

wird fortgesetzt