Der böse Onkel vom Rhein

Seit 35 Jahren gibt es die Zeitungsgruppe WAZ, seit 1978 leitet Erich Schumann erfolgreich die Geschäfte. Mit der taz sprach er über das „Modell WAZ“, Leo Kirch und die Expansion nach Osteuropa
Interview ARNO FRANK

taz: Mit einem Umsatz von zuletzt knapp vier Milliarden Mark ist die WAZ-Gruppe als Deutschlands viertgrößtes Medienunternehmen auch politisch von Belang. Warum haben wir trotzdem den Eindruck, dass Sie die Öffentlichkeit meiden?

Erich Schumann: Es ist halt unsere Kultur, nicht so sehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Das haben die alten Herren, die Gründer, damals selber entwickelt. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung war, bevor die Bild kam, die größte Zeitung Deutschlands – Springer war bekannt, aber wer kannte Funke und Brost? Wir haben versucht, diese bescheidene Tradition fortzusetzen.

Die WAZ-Gruppe ist berüchtigter, als sie beliebt ist. Berührt es Sie denn persönlich gar nicht, als „der Böse“ zu gelten?

Man kann, wenn man groß ist, nicht davon ausgehen, geliebt zu werden. Alles, was groß ist in dieser Welt, wird zunächst mal nicht geliebt – dafür habe ich sogar ein gewisses Verständnis. Aber Stillstand ist Rückschritt. Wir sind Gott sei Dank in der Lage, immer wieder nach neuen Gelegenheiten zu sehen, die Gruppe abzusichern, indem wir wachsen. Wenn das aber der Fall ist, ist es unausbleiblich, dass man dabei dem einen oder anderen auf die Füße tritt – und dass der dann aufschreit. Das sind eigentlich die Gründe, warum wir, die wir seit 25 Jahren extrem expandieren, nicht eyerybody’s darling sind. Zur positiven Seite zählt, dass wir eines der wenigen Unternehmen in Deutschland sind, die in den letzten 25 Jahren keinen einzigen Arbeitsplatz abgebaut haben.

Wie bitte? Sie schließen doch Redaktionen, wenn es ihnen ins Konzept passt!

Umschichtungen mag es geben. Aber auf lange Sicht haben wir heute insgesamt über 12.000 fest angestellte Mitarbeiter. Und das ist doch was, vor allem im Ruhrgebiet, bei uns sind die Arbeitsplätze sicher. Das geht nur bei einem gesunden und stabilen Unternehmen. Gesund und stabil können Sie nur sein, wenn Sie sich im Markt behaupten und sich rundherum absichern.

Mit Methoden, die schwächeren Wettbewerbern das Rückgrat brechen?

Ich halte es erstens für nicht ganz gerecht, dass nicht hervorgehoben wird, dass wir ein sehr, sehr stabiles Element sind. Und das Zweite, was auch nie transportiert wird, ist – und das bestätigt Ihnen jeder unserer Chefredakteure –, dass wir für einen privatwirtschaftlich geführten Verlag ein sehr liberales Haus sind, da gibt es keine Bevormundung von Redaktionen.

Wie oft haben Sie denn an Redaktionskonferenzen teilgenommen?

In 25 Jahren vielleicht nur zweimal, und dann nur auf Einladung. Ich könnte das natürlich ohne Weiteres, als Geschäftsführer und Gesellschafter, aber ich tue es nicht. Wir haben ein hohes Maß an redaktioneller Freiheit, würde ich behaupten, genauso frei wie die taz-Redaktion. Mindestens, mindestens, mindestens ...

Sie greifen nicht zum Hörer, wenn Ihnen eine Ihrer sieben Zeitungen keine Freude macht?

Das muss ich ertragen. Selbst wenn ich mich ärgere, was vorkommt, nehme ich nicht den Telefonhörer, was ich dürfte, sondern denke: Ach, was soll’s. Wir haben redaktionelle Grundsätze, und wenn innerhalb derer operiert wird, dann gibt es keinen Grund einzugreifen.

Welche Grundsätze sind das?

Wenn Sie so wollen, das ist fast so wie eine Menschenrechts-Charta. Das heißt also Menschenrechte, kein Nationalismus, kein Extremismus rechts und links, Parlamentarismus, Demokratie – also eigentlich wie eine UN-Charta.

Also sehr weit gefasst.

Ja, und in dieser Bandbreite können sich die Redaktionen bewegen und bewegen sich auch ...

Die WAZ-Gruppe expandiert seit 1989 vor allem im Osten Europas, zuletzt in Bulgarien ...

Ja, da läuft es jetzt besser, da bin ich ungefähr alle zwei Monate.

Aber gab es dort nicht heftige Anlaufschwierigkeiten?

Da gab’s wie in allen Transformationsländern Schwierigkeiten, weil die Verlagsorganisation, die wir dort vorgefunden haben, nicht unbedingt dem europäischen Standard entspricht. Das ist aber normal, das kennen wir auch aus Thüringen, als wir dort 1990 angefangen haben, dass die kommunistischen Verlagsstrukturen dort noch eine große Rolle gespielt haben. Dasselbe haben wir dann vorgefunden in anderen Transformationsländern, so auch in Bulgarien. Unsere Schwierigkeit bestand darin, dass wir die Bulgaren, die ja nach unserer Philosophie die Geschäfte vor Ort machen sollen, erst davon überzeugen mussten, dass man die Organisationsstrukturen verändern muss. Dann hatten wir zweitens – aber das ist ausgeräumt – etwas Schwierigkeiten mit der Wettbewerbskommission, die darin bestanden, dass dort einige kleinere Wettbewerber der Ansicht waren, wir würden gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Da gab’s Verfahren, die wir inzwischen zu unseren Gunsten beendet haben. Inzwischen läuft das normal.

Die Verdrängungsstrategie verfolgen Sie weiter: Für Ihre angekündigte Expansion auf dem Balkan, in Serbien, Kroatien und Slowenien – haben Sie jetzt den ehemaligen EU-Balkan-Koordinator Bodo Hombach eingekauft ...

Das haben wir nicht als Strategie entwickelt, das hat sich 1990 quasi aus der Historie entwickelt. Sie wissen, dass wir 1987 nach Österreich gegangen sind. Und als die Öffnung zu den kommunistischen Ländern kam, da war es nahe liegend, dass wir von Österreich den ersten Schritt nach Ungarn getan haben. Wir wollten das ursprünglich mit unseren österreichischen Partnern machen, aber die waren nicht so richtig überzeugt, dass das richtig sei – vielleicht war ihnen auch das Risiko zu groß. Wir haben dann unser Schicksal selbst in die Hand genommen und es eben alleine gemacht. Wir hatten schon eine Gesellschaft mit unseren österreichischen Partnern gegründet ...

... die Kronen- und Kurier- Gesellschaft?

Ja, mit der wollten wir dann z. B. Zeitungen in Ungarn aufbauen. Als dann unsere Partner sich anders entschieden, haben wir – ohne das näher zu bedenken – unsere Gesellschaft umbenannt in K & K. Später ist uns aufgefallen, was das für eine historische Relevanz hat. Nun haben wir aber als Holding für alle unsere südosteuropäischen Unternehmungen diese K & K.

Wie gelingt es der WAZ als einer Spezialistin für Regionalzeitungen, den Pressemarkt eines ganzen Landes aufzurollen?

Zunächst haben wir fünf Regionalzeitungen aufgekauft, von der österreichischen Grenze bis Budapest – aber nicht in Budapest selbst. Dann im Süden bis zum Balaton-See und dann aus logistischen Gründen eine Druckerei in die Mitte gesetzt. Alle diese Zeitungen sind erfolgreich. Wir haben dort 1992 angefangen und haben inzwischen ein return of investment. Dabei hat sich dann allmählich eine Strategie entwickelt.

Also kein Masterplan zur Unterwerfung dieser Zeitungen?

Nein, wir saßen nicht 1989 am Schreibtisch und haben uns überlegt, wie wir jetzt fortfahren, sondern sind den praktischen Schritt gegangen. Wir waren in Ungarn und haben festgestellt, dass im Grunde in allen ehemaligen kommunistischen Staaten die Probleme dieselben sind – und auch die Lösungsansätze. Dann erst entwickelten wir die Strategie, unsere Erfahrungen, unser Knowhow aus Thüringen und Ungarn auch in anderen Ländern zum Einsatz zu bringen.

Sie sind in Bulgarien mit zwei großen Zeitungen, in Kroatien mit dem größten Magazin, Verlag und der größten privatwirtschaftlich geführten Zeitung, in Rumänien mit zwei Zeitungen und neuerdings auch in Serbien engagiert ...

Wir kontrollieren 25 Zeitungen in Europa ...

... dennoch besitzt die WAZ-Gruppe keine überregionale Qualitätszeitung in Deutschland. Kränkt das nicht Ihren publizistischen Ehrgeiz?

Nein, im Gegenteil sind wir der Auffassung, dass man betreiben soll, wovon man etwas versteht, was man gelernt hat. Von nationalen Zeitungen haben wir keine Ahnung und wissen außerdem, dass die sehr schwer zu führen sind, wie man an vielen Beispielen sehen kann ...

Ein Beispiel?

Die Berliner Zeitung, der ja nun auch ein rigoroser Sparkurs verordnet worden ist.

Wenn Sie nicht aufkaufen – wäre denn die Westdeutsche Allgemeine Zeitung nicht eine prima Qualitätszeitung von bundesweitem Rang?

Ach wissen Sie, seit 1948 beschränken wir uns bewusst auf die regionale und lokale Qualitätszeitungen, und der Erfolg gibt uns Recht. Und seitdem steht fast jedes Jahr irgendein Politiker bei uns vor der Tür und versucht uns zu animieren, aus der Westdeutschen Allgemeinen eine nationale Zeitung zu machen. Wir wissen, wie schwierig das ist. Und haben einen Grundsatz, der im Verlagswesen eine große Rolle spielt: every business is local. Und wir wissen, dass eine Zeitung wie die Westdeutsche Allgemeine, die das ganze Ruhrgebiet und Umgebung in sich aufgenommen hat, die Identität dieses Gebietes mitrepräsentiert.

Und Köln?

Keine Chance. Wir sind eine Zeitung von Ruhrgebietlern für Ruhrgebietler, die kann man nicht nach Köln verpflanzen.

Springers und DuMonts Abwehrschlacht gegen die Kölner Gratiszeitungen haben Sie sich also entspannt aus der Distanz betrachtet?

Ja, weil wir in Köln keine verlegerischen Absichten haben. Natürlich haben wir Vorsichtsmaßnahmen getroffen, aber weder Schibstedt noch Metro haben sich – ich sage mal – getraut, in unser Gebiet zu kommen, weil sie genau wussten, dass wir einen heftigen oder vielleicht noch heftigeren Abwehrkampf organisiert hätten, wie es in Köln der Fall war. Der hat dort bekanntlich viel Geld gekostet.

Von welchen „Abwehrmaßahmen“ ist die Rede?

Wir haben sehr frühzeitig mit den Verkehrsgesellschaften in Dortmund, Essen und Gelsenkirchen Vereinbarungen getroffen, um mit diesen Gesellschaften Kundenzeitungen und -zeitschriften zu entwickeln. Dadurch haben wir erreicht, dass diese Verkehrsgesellschaften überhaupt nicht daran interessiert waren, dass in ihren Bussen oder sonstigen Verkehrsmitteln Gratiszeitungen verteilt werden. So hatten wir eigentlich unsere Ruhe.

Prinzipiell: Hat das Konzept einer Gratiszeitung Zukunft?

Ich halte den gesamten Ansatz der Gratiszeitungen für falsch. Es ist eine Kannibalisierung ...

... zielt aber auf ein junges Publikum, was sich auf lange Sicht doch bezahlt machen könnte?

Richtig ist, herkömmlichen Zeitungen große Schwierigkeiten haben, eine junge Leserschaft zu generieren – die taz mag da eine Ausnahme sein.

Auch Sie haben ein Problem damit, junge Leser für Ihre Zeitungen zu generieren. Woran liegt das?

Bei unseren Zeitungen liegt das daran, dass junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren – ich sage mal – eher herumzigeunern, sich nicht in einer Stadt niederlassen, sich nicht als Teil einer Stadt verstehen – die sind eigentlich nicht sesshaft, was auch richtig ist, weil die noch ihren Weg finden müssen. Das ist aus meiner Sicht einer der Gründe, warum man nicht an junge Leute herankommt mit Zeitungen.

Sind Sie als junger Mann auch „zigeunert“?

Ach ja, wenn ich mich erinnere, dann war ich mit 19 in jener Stadt, mit 21 in dieser – der Kontakt mit Zeitungen ist dann ein eher flüchtiger.

Fast 90 Prozent Ihrer Auflagen sind im Abonnement ...

... in Österreich sind es 70 Prozent, in Südosteuropa sind wir auch offensiv dabei das aufzubauen. Das Abonnement wird von jungen Menschen erst akzeptiert, wenn sie sesshaft werden, eine Familie gründen und wissen: Das ist jetzt mein Lebensraum für die nächsten Jahre. Gratiszeitungen nimmt man halt, weil man sie in die Hand gedrückt bekommt. Verleger wie Journalisten wollen aber ihre Leserschaft, nicht eine zufällige.

Die Online-Aktivitäten der WAZ-Gruppe halten sich in Grenzen. Wie sehen Sie, der auf Gewinne pocht, die Entwicklung am Neuen Markt, wo es doch keine nennenswerten Gewinne mehr gibt?

Wir haben da, wie alle anderen, unser Lehrgeld bezahlt. Wir haben regionale Online-Dienste mit etwa 80.000 Abonnenten und werden die auch kontinuierlich und vorsichtig weiterentwickeln – zumal man ja nicht weiß, wie sich der Markt entwickelt.

Aber Sie haben doch gewiss eine Idee, wo man im Netz Erfolg haben kann?

Geld verdient wird, wo Sex im Spiel ist. Aber das überlasse ich Ihnen, das als Erfolg zu werten. Publizistisch ist es sehr schwer. Denken Sie nur an die New York Times, die vor zwei Monaten über 200 Journalisten entlassen musste, die sie zuvor extra für Online eingekauft hatten.

Sie bekommen im Ruhrgebiet doch ab Januar Besuch von der Süddeutschen Zeitung ...

Das raubt mir nicht den Schlaf ...

Weil die SZ ihren eigenen Vertrieb aufbauen muss?

Wir wissen, wie schwer das ist. Wir beschäftigen im Ruhrgebiet für vier Zeitungen etwa 6.000 Zeitungsboten – aber das haben wir in 40 Jahren aufgebaut. Und es ist schon schwierig, das täglich zu leisten – erstens. Zweitens hat die Süddeutsche Zeitung in Nordrhein-Westfalen vielleicht 30.- oder 40.000 verkaufte Exemplare, und lassen Sie die mal 5.000 dazugewinnen. Es wird niemand, der an lokalen Informationen interessiert ist, auf die Süddeutsche Zeitung zurückgreifen. Das wird für die Herrschaften ein teures Vergnügen. Der Angriff gilt ja der FAZ, weil die in NRW bekanntlich einen erklecklichen Abstand zur Süddeutschen Zeitung aufgebaut hat. Man will also mit diesem Konzept versuchen, auf der Wiese der FAZ zu grasen.

Geben Sie der Süddeutschen eine Chance?

Ach wissen Sie, schon der Titel Süddeutsche Zeitung ist etwas, das die Eingeborenen von Rheinland und Ruhrgebiet nicht gerade dazu ermuntert, sie zu kaufen.

In der FAZ hat Leo Kirch davon gesprochen, dass es auf dem Zeitungsmarkt zu einer Konsolidierung kommen müsse, dass er sich nun auf Regionalzeitungen konzentrieren will ...

Ich habe das auch gelesen und muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe es nicht verstanden. Wenn Sie den regionalen Zeitungsmarkt ansehen, weiß ich nicht, wo es noch Konzentrationsmöglichkeiten gibt. Ich sehe nicht, wo man anfassen könnte. Diese Art der Konzentration können Sie ja immer nur an einem Ort machen, und deswegen verstehe ich die Äußerungen von Kirch nicht, weil es fast keine Orte mehr gibt, wo es zwei Zeitungen hat, von denen eine Not leidend ist. Und wenn sie nicht Not leidend ist, dann genehmigt das das Kartellamt nicht, zu Recht.

Es stehen doch immer wieder Blätter zur Disposition?

Ja, und wenn das so ist? Dann gehen doch alle, die etwas davon verstehen, dahin und versuchen das zu kriegen. Ich weiß also nicht, wie der Herr Kirch das machen will, denn in diesem Geschäftsfeld war er noch nicht tätig. Also, ich habe das nicht ganz verstanden.

Sie haben Helmut Kohl mit einer privaten Spende von 800.000 Mark unterstützt ...

... nicht Herrn Kohl, sondern die CDU habe ich unterstützt, das wird gerne verwechselt. Den Herrn Kohl hätte ich nicht unterstützt, das ist ja kein armer Mann.

Haben Sie sich nicht bei Kohl für die möglich gewordene Expansion in den Osten erkenntlich gezeigt?

Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind in der ehemaligen DDR in Thüringen zum Zug gekommen, und dort hatten wir heftige Auseinandersetzungen mit der Treuhand, die ja damals unter dem Einfluss der Kohl-Regierung stand. Zweitens hat man uns bei der Ostthüringer Zeitung, wo wir zunächst alleine waren, einen Partner untergejubelt. Die Treuhandanstalt als Bundeseinrichtung hatte unsere Aktivitäten in Thüringen mit Argusaugen verfolgt.

Der taz würden Sie kein Geld spenden, haben Sie mal gesagt. Warum eigentlich nicht?

Natürlich nicht! Weil ich glaube, dass Zeitungen sich entweder selbst erhalten müssen oder eigentlich nicht in den Markt gehören. Eine Zeitung, die vom Markt und vom Leser nicht angenommen wird, kann ja auch einen Journalisten nicht erfreuen. Und deswegen ist die taz ein Projekt, das man überprüfen sollte.

Was würden Sie denn ändern?

Da kann ich Ihnen nicht helfen. Was sicherlich ein kleiner Erfolg ist: dass Sie sich so lange über Wasser gehalten haben. Aber es kann natürlich auch sein, dass sie so eine alte, verschworene Leserschaft haben – die natürlich auch älter wird und irgendwann wegstirbt. Auch bei regionalen oder lokalen Zeitungen muss man sehen, dass man die Dreißigjährigen im familienfähigen Alter nachholt – ohne die Alten zu verprellen. Die taz wird ein Problem haben, wenn ihr „Sturmcorps“ mal wegbricht, und dann frage ich mich: Wo haben Sie neue Zielgruppen? Ein schwieriges Feld ...

Sobald eine Zeitung kränkelt, wird die WAZ-Gruppe als möglicher Käufer ins Spiel gebracht. Bei der Woche war das so, ebenso bei der Berliner Zeitung. Was sagen Sie zu solchen Spekulationen?

Ich muss Ihnen sagen, wir verstehen ja was vom Geschäft und drängen uns nicht nach Berlin. Berlin ist also nicht unbedingt für Verleger ein Markt, wo man präsent sein müsste.

Im Fall der Berliner Zeitung würde es sich doch anbieten: Das Blatt gehört Gruner + Jahr und damit Bertelsmann, denen Sie mit einer Abgabe Ihrer Anteile an RTL doch sicher eine Freude machen würden ...

Es war wohl einmal im Gespräch, möglicherweise mit RTL-Aktien einen Tausch zu machen. Aber das bezog sich vielmehr auf Südosteuropa als auf Berlin. Aber gut, wenn uns Berlin angeboten würde, dann würden wir uns das überlegen.

Wenn sich also die Gelegenheit ergibt, greifen Sie zu?

Jaja, aber der Preis muss natürlich auch stimmen. Wir sind eigentlich nur an Zeitungen interessiert, bei denen man zumindest die Chance hat, dass man in die Gewinnzone kommt. In Berlin ist ja nicht zu erwarten, dass man mit der Berliner Zeitung und dem ... äh, na, wie heißt er, dem Tagesspiegel durchmarschiert und große Gewinne macht.

Wohin steuert die WAZ-Gruppe? Seit ein paar Jahren soll eine neue Etage in der Führungsspitze eingezogen werden ...

Ich bin „der einzige Überrest“ aus der alten Führungsebene, wenn Sie so wollen. Und da ich im Dezember 71 werde, muss ich auch daran denken, wie man das in Ruhe ordnet. Ich habe also jetzt als zweiten Geschäftsführer den Bodo Hombach engagiert, der ist 49. Und wenn das gelingt, dann ist die Kontinuität gewahrt. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird die erste Generation von nicht familienangehörigen Managern das Unternehmen leiten.

Und Sie selbst?

Ich werde, wenn Gott will und es mir Spaß macht, noch ein paar Jahre bleiben und dann erst ausscheiden.