Abwiegeln, verharmlosen und leugnen

Die Ausstellung „Tatort Stadion“ enthält so erschreckende wie kuriose Dokumente der Instrumentalisierung des Fußballs durch rechtsextreme Gruppen. Eine Schautafel heißt „Tatverdacht DFB“, gespickt mit Zitaten von DFB-Chef Mayer-Vorfelder. Nun droht ein Rechtsstreit mit dem Fußballbund

Mayer-Vorfelders Leistungsschau der Peinlichkeiten beginnt im Jahr 1986

von MARKUS VÖLKER

Einen interessanten Beitrag zur Ausstellung „Tatort Stadion“ lieferte der Chemnitzer FC. Ein Vereinsvertreter konterte die Bitte um Unterstützung, die an 72 Bundesliga- und Regionalligavereine ging, mit der Bemerkung: „Warum, wir haben hier doch nur vier Nazis, und die haben alle Stadionverbot.“ Derlei fahrlässige Aussagen sind Gerd Dembowski nicht neu. Er kennt die Mischung aus Abwiegeln, Verharmlosen und Leugnen ziemlich genau. Diese Gemengelage des Verdrängens unterstütze Rassismus und Gewalt, sagt er.

Dembowski ist der Initiator der Ausstellung, die im Haus der Buchdrucker in Berlin-Kreuzberg noch bis zum 6. Dezember zu sehen ist.

„Es ist noch gar nicht so lange her, da waren wir für die Vereinsoberen die Fußballterroristen“, konstatiert Dembowski. Mittlerweile habe sich aber die Arbeit des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff) etabliert. Der 29-jährige Sozialwissenschaftler wurde unlängst von der Fifa zum Kongress nach Buenes Aires geladen und durfte dort vor den Delegierten reden. Die Uefa verlieh den Charity-Preis, dotiert mit einer Million Schweizer Franken, an das Netzwerk Football against Racism in Europe (Fare), zu deren Mitbegründern die Baff gehört. „Uefa und Fifa waren stark unter Druck nach den Geschehnissen in Italien“, erklärt Dembowski. Während in deutschen Bundesliga-Stadien die Kampagnen gegen Rassismus allmählich zu einer zivilen Fußballkultur führen, grassiert das Problem in der Serie A unvermindert.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) allerdings tut sich schwer mit der Ausstellung. Die zugesicherten 10.000 Mark sind noch immer nicht eingegangen. DFB-Schatzmeister Theo Zwanziger sandte lediglich ein Grußwort, in dem er sich von der „umfassenden und durchdachten Aufbereitung dieses sensiblen Themas beeindruckt“ zeigte. Der Verband aber sah davon ab, zur Eröffnung mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Hertha-Profi Michael Preetz einen Vertreter zu schicken. Überdies sagte Werner Hackmann, Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion ab.

Wie sensibel das Thema tatsächlich ist, zeigt eine der Schautafeln unter der Überschrift „Tatverdacht DFB“. Ein ganzes Kompendium fragwürdiger Sprüche des DFB-Vorsitzenden Gerhard Mayer-Vorfelder wird präsentiert. MVs Leistungsschau der Peinlichkeiten beginnt im Jahr 1986: Als Minister für Kultur und Sport in Baden-Württemberg regt der CDU-Politiker an, es stünde den Schülern seines Bundeslandes nicht schlecht zu Gesicht, wenn sie alle drei Strophen des Deutschlandliedes beherrschten und auch sängen. 1987: Auf einer CDU-Veranstaltung sagt er: „Die Chaoten in Berlin, in der Hamburger Hafenstraße und in Wackersdorf springen schlimmer rum als die SA damals.“

1989: Im Nachrichtenmagazin Spiegel fragt Mayer-Vorfelder besorgt: „Was wird aus der Bundesliga, wenn die Blonden über die Alpen (nach Italien) ziehen und stattdessen die Polen, diese Furtoks und Lesniaks, spielen?“ Obwohl der DFB zusicherte, sich nicht in die Inhalte der Ausstellung einmischen zu wollen, mahnte er an, die besagte Tafel abzunehmen, es solle zum Nachteil der Baff nicht sein. Weil die Ausstellungsmacher der Forderung aber nicht nachkommen wollen, droht nun ein Rechtsstreit. Dembowski erwartet demnächst ein Schreiben des DFB.

„Tatort Stadion“ enthält ebenso erschreckende wie kuriose Dokumente der Instrumentalisierung des Fußballs durch rechtsextreme Gruppen, etwa die Vermutung der NPD, Berti Vogts habe als Bundestrainer 1998 zurücktreten müssen, „damit einer multikulturellen ‚deutschen‘ Nationalmannschaft keiner mehr im Wege steht“, jedoch auch Beispiele davon, wie der Militanz auf den Rängen und einer verdeckt operierenden nazistischen Fankultur begegnet wird.

Hertha BSC versucht, dem Problem seit Jahren Herr zu werden. „Die NPD weiß, dass es bei uns so eine Strömung gibt“, räumte Hertha-Sprecher Hans-Georg Felder vor zwei Jahren ein. Hertha verfügte daraufhin, dass Personen, die auffällig werden, im Wiederholungsfall mit einem Ordnungsgeld von bis zu 500.000 Mark zu rechnen haben. Ein antirassistischer Kinospot wurde in Auftrag gegeben. Das Problem wurde weitgehend aus dem Stadion verbannt. Nicht aus den Köpfen. Auch das ist ein Vorwurf, den Dembowski dem DFB und den Vereinen macht. Die Kampagnen „Friedlich Miteinander – Mein Freund ist Ausländer“ oder „Kein Platz für Gewalt“ dienten nur zur „Imagepflege“, packten das Problem aber nicht an der Wurzel, dem genuinen Forschungsfeld von „Tatort Stadion“, die unter die Grasnarbe eines deutschen Kollektivvergnügens geblickt haben und dort das Vermutete vorfanden: braunen Bodensatz.

„Tatort Stadion – Rassismus und Diskriminierung im Fußball“ in der Medien Galerie, Haus der Buchdrucker (Dudenstraße 10), bis 6. Dezember, Mo.–Fr. 11 bis 19 Uhr