„Wir stehen seit dem ersten Tag unter Polizeischutz“

Der Ausstellungsmacher Gerd Dembowski berichtet über Schüsse von rechts, einem hilfreichen DFB und einem weniger hilfreichen DFB-Präsidenten

taz: Herr Dembowski, was passiert am Tatort Stadion?

Gerd Dembowski: Fast in allen Stadien gibt es eine Minderheit, die sich rechtsgerichtet äußert und mit rechten Parolen eine Bühne sucht. Die organisierte rechte Szene versucht dann, diese Fans zu rekrutieren. Das ist Standard in deutschen Stadien.

Hat sich das Phänomen in den vergangenen Jahren verstärkt?

In den Achtzigerjahren bis Mitte der Neunziger war es ziemlich offensichtlich, mit Reichskriegsflagge und dergleichen. Mittlerweile gibt es eine Art von verdecktem Rassismus. Die Szene arbeitet inzwischen mit Codes. „88“ heißt „Heil Hitler“. Die Acht seht für den achten Buchstaben im Alphabet, also HH. Statt „Sieg Heil“ brüllen sie in Berlin „Schultheiss“. Das ist nicht strafbar. Oder die Marke Londsdale. Daraus wird Consdaple gemacht. Da steckt das Kürzel NSDAP drin. Dazu kommt: Früher waren es ganze Fanklubs, die rechts waren. In Berlin „Spreerandale“ oder „Endsieg“. Heute ist es Bestandteil der Jugendkultur.

Wie lässt sich gegen diese subtile, codierte Form des Rassismus vorgehen?

Das ist sehr, sehr schwierig, weil die Codes sich ständig ändern als Reaktion auf Verbote. Bei Hertha achten die Ordner auf solche Codes und ziehen die Leute auch aus den Rängen raus. Allgemeine Richtlinien gibt es aber nicht. Vieles ist nicht belangbar. Die Schwierigkeit, solche Leute dingfest zu machen, versuchen wir auch mit der Ausstellung darzustellen.

Welchen Effekt haben die DFB-Kampagnen gegen Rassismus?

Viele Kampagnen waren einmalig und folgenlos. Die Vereine haben nicht angebissen, und der DFB hat sie nicht fortgeführt. Es reicht nicht, einmal die Rote Karte hochzuhalten und dann wieder lange nichts zu machen – das sieht ein wenig alibimäßig aus.

Der DFB wird Ihnen da aber nicht zustimmen.

Man muss natürlich auch sagen, dass der DFB einer der ersten Verbände gewesen ist, der vor zwei Jahren gesagt hat: Es gibt eine rassistische Kontinuität. Früher hieß es nur: Das sind irgendwelche Rassisten von außerhalb, die den schönen deutschen Fußball kaputt machen wollen. Die Anerkennung des Problems ist der Beginn, dagegen anzugehen. Unser Ansatz ist: Man kann ein Problem erst lösen, wenn man es im Detail aufarbeitet. Da reichen wir uns mit dem DFB die Hand.

Im Detail aufklären heißt aber auch, den DFB zu konfrontieren mit zweifelhaften Aussagen, etwa mit denen des DFB-Chefs Gerhard Mayer Vorfelder.

Wir verorten problematische Äußerungen nicht nur in den Fankurven, sondern wir stellen uns auch die Frage: Wie wirken Politiker, Verbandsfunktionäre, die Medien als Beschleuniger oder Verstärker? Wenn zum Beispiel ein Mayer-Vorfelder neulich in der Fußballwoche sagt, dass in den Anfangsformationen Bayern gegen Cottbus nur „zwei Germanen“ stehen, dann läuft etwas falsch.

Wie gut kann in Anbetracht solcher Äußerungen eine Zusammenarbeit mit dem DFB überhaupt sein?

Mayer-Vorfelder ist nicht der DFB. Er steht für rechtskonservative Ansichten. Das ist hinlänglich bekannt. Der DFB aber macht insgesamt gute Arbeit. Seit vergangenem Jahr gibt es etwa die Arbeitsgemeinschaft Gewaltprävention, nur erfährt es kaum jemand.

Wie reagierte die Rechte in Berlin auf die Ausstellung?

Es gab Angriffe von Neonazis, 20 Schüsse innerhalb von fünf Tagen, mit Leuchtspurmunition und Platzpatronen. Sie zielten aus dem fahrenden Auto heraus und aus dem Gebäude gegenüber. Vorgestern wurden zwei der Leute gefasst.

Was tut die Polizei zu Ihrem Schutz und die der Ausstellung?

„Tatort Stadion“ steht seit dem ersten Vorfall am Tag der Eröffnung unter Objektschutz, und es ist auch ständig Zivilpolizei vor der Ausstellung. Die Angriffe sind unglaublich dreist, es ist immerhin eine Ausstellung, gesponsert von der EU und eröffnet von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Aber die eigentliche Frage ist doch: Was passiert mit Leuten, die nicht den Schutz der Öffentlichkeit haben wie wir?

INTERVIEW: MARKUS VÖLKER

Gerd Dembowski, Jahrgang 1972, ist Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff). Außerdem gibt er das internet-fanzine „blutgrätsche“ mit heraus (www.graetsche.de).