Eine Katze namens Rabin

Trockene, skurrile Szenen aus dem israelischen Alltag: Etgar Kerets Erzählungen „Der Busfahrer, der Gott sein wollte“ lassen ein bekanntes Terrain in neuem Licht erscheinen

Nachum, eine eher naiver und nicht so sehr heller Junge, schafft es, die Welt zu retten, und das zum läppischen Preis von 19,99 Schekel. So viel kostet ein Ratgeberheftchen, das einem angeblich den Sinn des Lebens erklären kann. Nachum bestellt die Broschüre und wird dafür von seinen Eltern und Freunden mit Häme übergossen. Aber nicht lange, denn für denselben Preis kann man sich noch darüber informieren, wie man seine Feinde für sich gewinnen kann. So schafft es Nachum tatsächlich, die Welt mit diesem Ratgeberheftchen in einen guten, friedlichen Ort zu verwandeln. Aber trotzdem hat Nachum am Schluss der Geschichte immer noch eine Sorge.

Nachums Versuche, sein Glück zu suchen, sind ziemlich typisch für die Protagonisten der 48 Kurzgeschichten des israelischen Schriftstellers Etgar Keret, die auf Deutsch in dem Band „Der Busfahrer, der Gott sein wollte“ erschienen sind. Ihre Figuren glauben nicht an die großen Gesellschaftsentwürfe, seien sie nun politischer oder religiöser Art. Sie sehen wenig Sinn darin, die Last der Geschichte auf ihren Schultern zu tragen, und werden doch genau dazu immer wieder gezwungen. Wenn das Gute sich schon so selten blicken lässt, dann lässt Keret seine Figuren wenigstens das richtige Leben im falschen suchen. Und das ist auch kein Wunder, sind seine Geschichten doch stark von den israelischen Realitäten inspiriert. Es geht um Araber, Rassismus, Pubertätserlebnisse von Agentenkindern und um die Frage, ob man seine Katze nach dem ermordeten Ministerpräsidenten Rabin benennen darf.

Obwohl da zum Teil starker Tobak drin steckt, haben viele dieser Geschichten eine erstaunliche Leichtigkeit. Der Autor, der auch Comics und Drehbücher produziert, hat einen Blick auf die Dinge, der gleichzeitig charmant naiv und entwaffnend brutal ist. Er schafft es, vermeintlich bekannte Szenarien in einem ungewohnten Licht erscheinen zu lassen. Und obwohl er keinesfalls beschönigt, wirken seine wunderbar trockenen, skurrilen Geschichten erstaunlich optimistisch.

Keret interessiert sich für das Irrationale, und deshalb gelingt ihm auch bei Themen, die aus hiesiger Sicht ziemlich speziell wirken, ein über Israel hinaustragender Zugang – zum Beispiel, wenn er Armeeerlebnisse verarbeitet. Sein Eindruck von dieser Institution, in der jeder junge Israeli viel Zeit verbringen muss, war zum Zeitpunkt des Schreibens offenbar noch frisch – einen guten Teil der hier veröffentlichten Geschichten schrieb der jetzt 34 Jahre alte Keret bereits Anfang der Neunzigerjahre. In diesen Geschichten geht es oft um pragmatische Überlebensstrategien, die jeder sehr sympathisch finden muss.

Alon zum Beispiel hat die ewigen Demütigungen seines Vorgesetzten satt und probiert etwas Neues aus. Er schweißt sich einfach von Kopf bis Fuß in Nylon ein, fortan perlt jede Demütigung und der ganze Schlamm, durch den er robben muss, einfach an ihm ab. Schade nur, dass seine Freundin findet, er sei irgendwie komisch geworden.

Kerets Interpretation der gesellschaftlichen Verhältnisse hat ihn in Israel reichlich umstritten gemacht. Die Jugend liebt ihn für seine unsentimentalen Kommentare zum israelischen Status quo. Keret lässt sich aber nicht auf die Rolle des Provokateurs festlegen. Man könnte sagen, dass er diesbezüglich irgendwie das Schicksal des Protagonisten aus der Geschichte „Rabin ist tot“ teilt. Erst wird seine Katze überfahren, dann bezieht er auch noch Prügel, weil er die Katze nach dem ermordeten Regierungschef benannt hat. Die Prügel kriegt er fieserweise ausgerechnet von dem, der seine Katze überfahren hat. STEPHANIE GRIMM

Etgar Keret: „Der Busfahrer, der Gott sein wollte“. Aus dem Hebräischen von Barbara Linner. Luchterhand Verlag, München 2001. 200 Seiten, 34 DM