Die Entdeckung der Langsamkeit

■ Kino ist Zuschauen: Thomas Arslans umstrittener Film „Der schöne Tag“ startet morgen im 3001

Eines Morgens wird man in Berlin wach, lässt seinen schönen Freund mit einem Schulterzucken weiterschlafen und fährt durch die Stadt. Kreuz und quer. Bus und Bahn. Deniz, die 21-jährige Heldin in Arslans Film, geht an diesem nicht enden wollenden Sommertag Rohmer-Filme synchronisieren – und entsprechend langsam schreitet der Film voran.

Zeig uns was von dir, sagen die Leute in der Casting-Agentur zu Deniz, als sie für eine Rolle vorspricht. Mit unbewegtem Gesicht und leiernder Stimme erzählt diese eine Film-, eine Liebesszene nach – und dann, und dann, und dann.

Genauso geht es dem Zuschauer im dritten Film von Thomas Arslans Trilogie nach Geschwister und Dealer. Er wird Stationen einer Geschichte sehen: Wie Deniz an diesem Tag ihre Wäsche zur Mutter bringt, die Schwester trifft, ihren Freund verlässt und eine neue Bekanntschaft in der U-Bahn macht. Dabei ist nichts weiter im Bild als das ausdruckslose Gesicht der jungen Frau, das mal mehr ein Schmollen, mal mehr Melancholie, meistens jedoch unbeteiligt ist. Im besten Falle könnte das Realismus sein. Doch Der schöne Tag hat nicht das nötige Engagement, und die Dialoge sind so hölzern und ungelenk, dass man peinlich berührt ist. Dahinter könnte man Methode vermuten. Auf der Berlinale ließ der Film das Publikum mit geteilten Meinungen zurück.

Arslan geht es um Liebe, um die Stadt, um den Sommer, ums Zwanzigsein – um ein Lebensgefühl. Nicht unter einem dokumentarischen Blick, sondern zum Themennetz verdichtet. Für diesen Anspruch zitiert er nicht nur Rohmer, sondern auch andere Franzosen mit ebenso großen Ambitionen. Bei Godards Beziehungsklassiker Une Femme est une Femme hätte er lernen können, woran es hier fehlt: Sperrigen Charakteren Leben einzuhauchen. Denn Kino ist mehr, als nur fremde Leute beim Stadtbummel anschauen.

Auch bei Godard wird dialoglas-tig ein Beziehungsproblem abgehandelt – aber so punktgenau und scharf, dass Arslans objektive Kamera dagegen nur noch weinerlich und wie unter dem Einfluss von Tranquilizern wirkt. Während das französische Paar bereits mit dem Fahrrad um den Esszimmertisch kurvt, bestellen Deniz und ihr Freund immer noch brav und verstockt eine Cola: Die neue deutsch-türkische Ernsthaftigkeit.

Die Leichtigkeit und jene undefinierbare Schwebe, die Arslan als Lebensgefühl interessieren, fehlen seinem Film gänzlich. So hangelt sich Der schöne Tag sehr „konkret“ weiter von Busstation über Tram und Metro, und übrig bleibt nur ein letzter flirtender Blick von Deniz in der U-Bahn. Keine Absolutheit, kein Abgrund, keine Absurdität – nur Alltag. Um sich nicht zu langweilen, sollte man die Städte im Sommer lieber verlassen, an den Strand gehen. Da geht die Zeit viel schneller vorbei, und metaphysische Sinnkrisen können bei einem Eis gekühlt werden. Pauline à la plage eben. Stefanie Maeck

ab Do., tägl., 20.30 Uhr, 3001