Windräder gegen CO2-Bilanz

■ Umweltminister wollen mit Off-Shore-Windkraftanlagen ihre Energie-Bilanz verbessern

Zwei Mal im Jahr treffen sich die Umweltminister des Bundes und der Länder zum Meinungsaustausch, in den letzten beiden Tagen hatte Bremen die Ehre. Auf der abschließenden Pressekonferenz versicherte Bremens Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD), die Länder-Kollegen hätten dem Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne) „den Rücken gestärkt“.

Der hatte das offenbar nötig: In Berlin hatte Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) pünktlich zur Ministerkonferenz ein Gutachten vorgestellt, nach dem die von der rotgrünen Koalition geplante Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) um 40 Prozent bis 2020 kaum finanzierbar sein und auch negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung haben werde. „Das basiert auf veralteten Gutachten und ist von der Realität längst überholt“, kofferte Trittin gestern in Bremen gegen seinen Kabinettskollegen. Trittins Begründung: Deutschland habe jetzt schon seinen CO2-Ausstoß um 18,7 Prozent verringert gegenüber 1990. Das sei „mehr als doppelt so viel wie die übrigen EU-Länder“. Der Zerfall der DDR-Industrie war eben ein Glücksfall für die gesamtdeutsche CO2-Statistik.

Auch Wischer hatte den Berliner Wirtschaftsminister wegen seines Gutachtens kritisiert. Dabei hat sie aber unerwähnt gelassen, dass in Bremen der CO2-Ausstoß seit 1990 gestiegen ist. Trotz des „Landesenergieprogramms“ 1994, das eine Reduzierung um 30 Prozent als Ziel bis 2005 formulierte, trotz des Bekenntnisses aus dem Regierungsprogramm der Großen Koalition. Insbesondere wenn das Stahlwerk gute Aufträge hat, verschlechtert sich Bremens CO2-Bilanz. Kleinere Verbesserungen in den anderen Bereichen kommen dagegen kaum an.

Seitdem die Stadtgemeinde keine Anteile mehr an dem Stromversorger swbbesitzt, hat die Umweltsenatorin auch keinerlei Einfluss mehr auf den Treibhauseffekt-Sünder II in der Stadt – die Kohlekraftwerke. Man müsse „über das Jahr 2005 hinaus“ denken, erklärte die Senatorin in der Bürgerschaft, „als neuer Zielhorizont kommt die Periode bis 2015 in Betracht“, und bis dahin würde ja auch „die Erneuerung des Kraftwerkparks der swb-AG“ stattfinden – „auch ein wesentlicher Faktor“. Die swb will Kohle-Kraftwerke stilllegen und mehr Atomstrom einkaufen.

Im Öffentlichen Bereich unternimmt Bremen bei den Gebäuden große Anstrengungen, solange das wenig kostet. Allein an den Schulen werden 1,5 Millionen Mark pro Jahr an Energiekosten gespart – die Heizungen verfügten früher nicht einmal über Thermostat-Ventile, der Wärmehaushalt in den Klassen wurde über das Fenster geregelt.

Besonders schlimm ist Bremens Energie-Bewusstsein an der repräsentativen Spitze: Das Rathaus verbraucht 250.000 Kilowattstunden im Jahr. Anfang des Jahres stellten Experten fest, dass nicht einmal zehn Jahre alte Kühlschränke durch moderne Geräte ersetzt waren. Aber die radikale Energiespar-Variante lehnte das Rathaus ab, Begründung: zu teuer.

Wenn es um die CO2-Bilanz geht, reden Umweltminister also lieber von Windkraft-Anlagen, als von der Industriepolitik, für die der Wirtschaftsminister verantwortlich ist. „Wir brauchen möglichst bald auch grünes Licht für Off-Shore-Anlagen auf hoher See“, erklärte Wischer nach der Konferenz der Umweltminister. Den Bedenken von Umweltschützern müsse durch eine „ökologische Begleitforschung“ Rechnung getragen werden. Mehr aber nicht, denn: „Ohne Off-Shore-Anlagen ist ein Ausbau der Windenergie aber kaum möglich.“ Trittin erklärte, bis 2010 sollte rund 12,5 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, davon knapp die Hälfte aus Windkraftanlagen. Das komme auch der Industrie in Norddeutschland zugute. Klaus Wolschner