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: In sich gekehrte Blicke bei Warhol

Das Lächeln der Jackie K.

Fünfzig Mark kostet ihr Lächeln. Drei verschiedene Marilyns gibt es am Devotionalienstand neben der Kasse der Berliner Ausstellung als Kunstdrucke zu kaufen. Einmal die Monroe in Orange, einmal eher in Rot, einmal in Grau. Wobei in der vergangenen Woche nur die letztere Version erhältlich war, die anderen beiden waren aus – werden allerdings nach Auskunft der Verkäuferin bald nachgeliefert. Wenn man schon einen Warhol mit nach Hause nimmt, dann einen bunten, das popt und macht sich gut überm Bett oder über der Steroeanlange. Warum soll man aus seinem seriellen Verfahren schließlich nicht das Beste machen, sich die Farben aussuchen, die man für seine Inneneinrichtung braucht nämlich; macht man bei der Polstergarnitur schließlich auch.

Was die Serialität betrifft, so sind es neben all den Marilyns, Elvissen und Elisabeth Taylors merkwürdigerweise vor allem zwei Schwarzweißformate, anhand deren man sich sehr bunte Erkenntnisse mit nach Hause nehmen kann. „Thirty Are Better Than One“, dreißigmal die Mona Lisa auf eine Leinwand gesiebdruckt, verleitet stark dazu, beim Betrachten in den intellektuellen Zustand des Schmunzelns zu verfallen. Das zweite Schwarzweißbild, „Twenty Jackies“, verursacht dagegen bei den allermeisten Besuchern der Berliner Schau ein Stirnrunzeln. Zwanzigmal Jackie Kennedy als Ikone der Trauer bei der Beerdigung von John F., da schaltet man selbst im Vorüberschlendern automatisch um in den Ernstdiskurs.

Ich muss zugeben, dass mir erst jetzt, beim Kontrast dieser beiden Bilder, die in der Neuen Nationalgalerie etwa dreißig Meter voneinander entfernt gehängt sind, ein Begriffspaar richtig aufgegangen ist, das durch diesen Künstler wie nebenbei aufgeladen wird: das von Ironie und Irritation. Schon erstaunlich, wie leichthändig und abgestuft er diese Bewusstseinszustände einsetzen kann.

„Thirty Are Better Than One“ ist ja zunächst nichts anderes als ein Sprung mit dem Arsch ins Gesicht des Originalgeniekultes. Entstanden, nachdem die Mona Lisa mal in New York war und zigtausende Menschen Schlange standen, um einen sekundenlangen Blick aufs Gemälde zu erhaschen, ist die Ironie der Situation offensichtlich. Die Massenkultur erweckt das Bedürfnis nach Originalität und verhindert gleichzeitig die Möglichkeit, diesem Bedürfnis nachzugeben.

Einerseits stimmt es ja: Wenn wir dreißig „Mona Lisas“ hätten, könnten sich mehr Menschen länger dieses Bild ansehen. Andererseits weiß aber jeder, dass wir dann eben gar keine „Mona Lisa“ hätten. Auf die Einmaligkeit kommt es bei solchen Weltwichtigkeitswerken an – oder sagen wir, auf die Illusion der Einmaligkeit; irgendwo war zu lesen, dass das Original im Louvre längst eine Kopie ist. Das echte Bild ist zu einmalig für den Publikumsverkehr.

Auch wenn man die Kämpfe rund um Kunst und Originalität inzwischen beinahe archäologisch ausgraben muss: Irritierend an Warhols „Thirty Are ...“ ist gerade die Ironie, die er als Künstler gegenüber einem Gegenstand aufbringen kann, den die Massenmedien immer wieder aufs Neue mit der Aura der Kunst verhüllen. Irritation durch Ironie, das wäre hier also die bunte Erkenntnis.

Im Gegensatz dazu wäre bei den „Twenty Jackies“ vielleicht von einer Ironie der Irritation zu sprechen. Man muss ja heute nicht mehr die kritische Kiste aufmachen und, wie die Audioführung vorschlägt, von einer Abnutzung des Bildes unter der Herrschaft der Massenmedien sowie dem Zustand der Trauer im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit sprechen. Dass authentische Gefühle von ihrer Inszenierung nicht zu trennen sind, das ist längst Allgemeingut. Das wirklich scharf Ironische an der Sache aber ist, dass man bei diesem Bild immer noch beinahe unwillkürlich an diesen Zusammenhang denken muss. Man steht also als einer von vielen vor den trauernden Jackies und lässt sich irritieren – und genau in diesem Moment fängt das Bild, Jackies in sich gekehrtem Blick zum Trotz, gleichsam ironisch zu lächeln an: Siehst du, so scheint es zu sagen, du bist irritiert, hab’ ich dich also gekriegt!

Vielleicht hätte ich doch die graue Marilyn mitnehmen sollen. DIRK KNIPPHALS