schwarze taz
: Wie man „hard-boiled“ steigert: eine Sammlung guten und wahren Krimi-Trashs

Wenn du deine Exekution überstehst, geht’s los

Wie schön, dass man gelegentlich auch etwas über das andere Amerika erfährt, über die US of Assholes: Frank Nowatzki, seit vielen Jahren Streiter für den guten und wahren Krimi-Trash, hat für seine Pulp-master-Edition unter dem Titel „Anti-Hero“ eine Anthologie zusammengestellt, in der sich Gewinnlertypen, Versager, Macho-Drecksäcke und Psychopathen ein Stelldichein geben.

Kernstück der Sammlung, die Texte von den Dreißigerjahren bis heute präsentiert, ist ein früher Roman der Krimi-Legende Charles Willeford. „Der Hohepriester“ erzählt kühl, knapp und psychologisch fein nuanciert eine total kaputte Liebesgeschichte: Der kalifornische Gebrauchtwagenhändler Russel, ein betrügerischer Streber, lernt auf einer Tanzveranstaltung eine spröde Schönheit kennen, die ihn fasziniert. Weil Alyce ihn nicht an sich ranlässt, setzt er alle Hebel in Bewegung, um sie ins Bett zu bekommen, und schreckt dabei nicht mal davor zurück, ihren geistig behinderten Ehemann als Kommunist anzuschwärzen und um den Job zu bringen.

Russel ist ein glänzender Kavalier, wenn es sein muss, und ein gewaltsüchtiger Streithahn, wenn er Lust dazu hat. Er ist ein Idealist, der teure Kleider, chromglänzende Autos, weibliche Schönheit und hohe Literatur liebt, und gleichzeitig ein hinterhältiger Abzocker, der eine diebische Freude daran hat, seine Freunde zu hintergehen. Russel repräsentiert die Wahrheit des American Way of Life in einer Zeit, als die Gebrauchtwagenhändler in Kalifornien so hoch geschätzt wurden wie heute Börsenhändler – sie waren die Hohen Priester des Geldscheffelkults.

Die anderen Storys sind kürzer, aber nicht weniger spannend: Der von Raymond Chandler einst als „ultra-hard-boiled“ bezeichnete Paul Cain steuert eine Geschichte bei, in der ein Hollywood-Gangster sich einen Spaß daraus macht, den Profit einer schlecht eingefädelten Erpressungsintrige in die eigene Tasche zu lenken. Sein nicht weniger hart gesottener Kollege Fletcher Flora erzählt die wahrscheinlich kaputteste Erfolgsgeschichte, die es je gab: Nach dem Tod seines alles überragenden Vaters gelingt es dem ewigen Verlierer Frankie, Fuß zu fassen. Endlich bekommt er alles, was sein Vater ihm immer wegschnappte – bis der Alte aus dem Grab heraus ein letztes Mal zuschlägt.

Die übrigen vier Geschichten lesen sich wie ein Wettstreit in der Kategorie Schwarzer Humor: dass man Amoralität und Asozialität auch mit Witz abhandeln kann, zeigen Dan J. Marlowe, Joe R. Lansdale, Buddy Giovinazzo und (als einziger Nichtamerikaner) Derek Raymond. Die verblüffendste Story ist wahrscheinlich die von Marlowe. In „Der Spender“ wird einem auf die Hinrichtung wartenden Todeskandidaten im letzten Moment eine wahre Senkrechtstarterkarriere beschert, getreu dem Motto: Wenn du deine eigene Exekution überstehst, kann es nur noch besser werden. Und Buddy Giovinazzo, der jüngste der versammelten Autoren, beweist in seinem Psychokiller-Abgesang „Ich töte nur für Catalaine“, wie man den übelsten Perversionen und kränksten Gewaltakten eine Menge Spaß abgewinnen kann – wenn man ein guter Autor ist. Im Vergleich zu dem hier beschriebenen Mörderpärchen wirkt Hanibal Lector wie ein Waisenknabe. Insgesamt betrachtet ist „Anti-Hero“ das Buch, das dir gnadenlos amüsant erklärt, warum du schon wieder eine schlaflose Nacht hast. ROBERT BRACK

Frank Nowatzki (Hg.): „Anti-Hero“.Aus dem Englischen von GabrieleBaertels und Ango Laina. pulpmaster/Maas Verlag, Berlin 2001,250 Seiten, 10,12 € (19,80 DM)