Das weibliche Arbeitsvermögen

Schriften zu Zeitschriften: „Widerspruch“ zu Nationalismus, Rassismus, Krieg und Veränderungen in der Arbeitswelt

Der „Widerspruch“, den die Schweizer Halbjahreszeitschrift für Politik in ihrem Titel trägt, reizt in ihrem neuesten Heft zu „Nationalismus, Rassismus, Krieg“ selbst zu Widerspruch. Denn der Widerspruch erscheint selbst recht konform. Konform im Sinne einer linken Tradition, die neue Fragestellungen, wie sie die Zeitläufte mit sich bringen, nicht aufgreifen kann. Doch der Widerspruch gilt keinesfalls dem ganzen Heft. Ebenso viele Beiträge kommen bei dem ideologisch hoch besetzten Thema zu sehr differenzierten Aussagen und regen neues Nachdenken an. Geradezu exemplarisch ist das an zwei Aufsätzen zu beobachten.

In seinem Beitrag zu „Standortnationalismus, Rechtsextremismus und Zuwanderung“ bestärkt der Kölner Politologe Christoph Butterwegge die zurzeit gängigen Thesen zur Schuldzuweisung. Die neoliberale Modernisierung des Wohlfahrtsstaates – „der kein herkömmlicher Wohlfahrtsstaat mit einer umfassenden Verantwortung für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit mehr sein will“ – ist für Rassismus und rechte Gewalt verantwortlich: „Der aktuelle Rechtsextremismus beruht auf einer Brutalisierung, Ethnisierung und Ästhetisierung alltäglicher Konkurrenzprinzipien.“

Als Leserin fällt einem naturgemäß ein Bevölkerungssample ein, das Christoph Butterwegge unbedingt einmal befragen sollte, hinsichtlich sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit oder seiner Chancen in der Wettbewerbsgesellschaft: die Frauen. Wenn es denn richtig sein sollte, dass Rechtsextremismus zwangsläufige Folge der Globalisierung als einer Gegenreform zum Projekt sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit ist, dann müssten bei ihnen die Befunde doch besonders hoch sein?

Aus Frauenperspektive möchte man die ketzerische These wagen, dass es Männer die längste Zeit gewohnt waren – also auch im klassischen Wohlfahrtsstaat – unliebsame Mitbewerber von den Rängen zu verdrängen. Mitwerber testen eben zwangsläufig ihre Leistungsbereitschaft und stellen Privilegien in Frage. Oder anders gesagt, wie in Klaus Dörres Beitrag „Reaktiver Nationalismus in der Arbeitswelt“ zu lesen ist: „Konstruktionen von Ethnie, Rasse und Geschlecht [sind] organisch mit der Arbeitsteilung in den entwickelten Kapitalismen verschmolzen [. . .]. Indem sie Arbeitsteilung legitimieren und verfestigen, können solche Konstrutionen dazu beitragen, dass Ungleichheiten mehr oder minder fraglos akzeptiert werden“; beziehungsweise fraglos akzeptiert werden sollen. Ohne große Anstrengung bevorzugt sein – dank Deutschsein: das ist doch die geniale Idee, an der rechte Männer mit aller Gewalt hängen. Bei dieser scheinen sie Lust an Tüchtigkeit allerdings sehr wohl zu kennen.

Trotzdem, so Dörre, macht es wenig Sinn, jede Abwehr von Konkurrenz als „Wohlstandschauvinismus oder Standortnationalismus zu attackieren, weil [hier] legitime Ansprüche auf Sicherheit, ‚gute Arbeit‘ und ‚gutes Leben‘ mitschwingen.“ Auch Klaus Dörre geht davon aus, dass ein wichtiger Ursachenkomplex für Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in Veränderungen der Arbeitswelt wurzelt, die in der Tat zunehmend unter Marktdruck gerät. Dörre hat in diesem Prozess tatsächlich auch die Frauen im Blick, bei denen flexible Beschäftigungsformen weder automatisch in Desintegration umschlagen noch in reaktiven Nationalismus. Ein Fakt, der „das Interesse an Besonderheiten des weiblichen Arbeitsvermögens geweckt“ hat. Wenigstens so weit ist die Soziologie gediehen. Die Politologie hätte allen Grund, sich ebenfalls dieser Frage zu stellen.

BRIGITTE WERNEBURG

„Widerspruch. Beiträge zur sozialistischen Politik“. Heft 41, 25 Franken. Siehe auch www.widerspruch.ch