Krisenprävention in der Krise

Fällt die europäische Krisenprävention der Brüsseler Beamtenmentalität zum Opfer? Das Konfliktforschungsinstitut wird abgewickelt: Es arbeite nicht bedarfsgerecht. Zu unbequem sei es den Bürokraten gewesen, meinen dagegen die Grünen

von CHRISTIAN JAKOB

Mit dem Beginn des neuen Jahres wird es vorerst keine unabhängigen Informationen zur Krisenprävention mehr auf europäischer Ebene geben. Der Vertrag zwischen dem beauftragten Institut und der Europäischen Kommission wird nicht verlängert. Warum? Darüber tobt ein Streit, der auch ein Schlaglicht auf Brüsseler Denkweisen wirft.

Bisher hatte das „Conflict Prevention Network“ (CPN) die europäischen Institutionen mit den wichtigen Details und Hintergrundinformationen über die Krisenherde der Welt versorgt. So hatte sich das Netzwerk beispielsweise lange vor dem Krieg in Afghanistan mit der prekären Situation in dieser Region beschäftigt. Gleiches gilt für den Kosovokonflikt sowie zahlreiche afrikanische Staaten. Die Forschungseinrichtung bestand aus einigen wenigen Mitarbeitern, die ein Netzwerk von weltweit mehreren hundert Experten koordinierten. Das Netzwerk, das unter der Obhut der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) mit Sitz in Berlin operierte, sollte als „Think-Tank“ das Krisen-Frühwarnsystem der europäischen Institutionen sein. Damit ist jetzt Schluss.

Der Vertrag zwischen SWP als Träger von CPN und der Kommission wird mit dem Jahresende „auslaufen“, so die diplomatische Formulierung. Das allerdings war so nicht vorgesehen.

Seit September 2000 war CPN mit der Krisenfrüherkennung betraut. Der Vertrag sollte sich jährlich automatisch verlängern, wenn das Parlament die Finanzierung sicherstellt und der CPN-Jahresbericht abgenommen ist. Beide Voraussetzungen sah das Netzwerk erfüllt, doch gab es bereits bei der Frage, wie das zweite Jahr des Projektes gestaltet werden soll, Probleme. So wollte die Kommission das Verbindungsbüro in Brüssel abschaffen und die Zahl der Mitarbeiter abbauen, erklärt der Projektleiter Reinhardt Rummel. „Eine unannehmbare Forderung! Wir hätten nicht mehr effektiv arbeiten können“, klagt er.

Der eigentliche Grund für die Probleme liegt wohl woanders. Nicht die von der Kommission geforderten Einsparungen, sondern die Unabhängigkeit der Forschungseinrichtung hätten zu den Differenzen geführt, meinen nicht nur die CPN-Mitarbeiter. Die EU-Abgeordnete der Grünen, Elisabeth Schroedter, spricht aus, was viele denken: „Der Konflikt wurde provoziert, um das Konzept einer unabhängigen Einrichtung zu Krisenprävention in Frage zu stellen.“ Ein Vorwurf, den die Kommission zurückweist: „Wir brauchen unabhängigen Sachverstand“, erklärt Gunnar Wiegand, der Pressesprecher des verantwortlichen EU-Kommissars Chris Patten. Es habe aber Probleme bei der „optimalen, schnellen und flexiblen Beratung“ durch das Netzwerk gegeben. „Nicht bedarfsorientiert“ habe es gearbeitet. Ein konkretes Beispiel allerdings kann er nicht nennen.

CPN kontert: „Die haben unsere Unterlagen doch oft gar nicht gelesen“, vermutet Projektleiter Rummel. „Wir haben etwa lange vor dem Konflikt im Kosovo Vorschläge gemacht, wie man die Probleme zwischen Serben und Albanern eindämmen könnte, wie von der Kommission gewünscht. Unsere Unterlagen sind im Brüsseler Bürokratenapparat allerdings immer wieder untergegangen.“ Nach Auffassung von Rummel sei bei der Kommission kein besonderes Interesse vorhanden gewesen, Krisen frühzeitig zu bewältigen. Man handle vielmehr nach der Devise, dass man nichts vorzeitig zu einem Thema machen soll, was noch keines ist.

Unabhängig davon, wer nun Recht hat, Fakt ist, dass die Europäische Krisenprävention darunter leiden wird. Mit dem „Auslaufen“ des Vertrages gibt es auf europäischer Ebene vorerst keine unabhängige Forschung zur Krisenfrüherkennung mehr. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, wurden mehrere Millionen Euro über Jahre hinweg in den Aufbau des Forschungsprojektes CPN gesteckt. Paradoxerweise hat das Europäische Parlament, das das Netzwerk erhalten will, das für CPN im Jahr 2002 gedachte Geld schon im Haushalt vorgesehen. „Der Kommission muss klar werden, dass sie nicht machen kann, was sie will“, erklärt die Abgeordnete Schroedter.

Die Kommission beugte sich dem Druck und will nun an einer unabhängigen Einrichtung zur Krisenfrüherkennung festhalten. CPN wird die wohl nicht mehr heißen. Deren Mitarbeiter, so der Vorschlag der Kommission, könnten sich ja bei der neuen Einrichtung bewerben.