Die Bösen gewinnen und schlürfen Cocktails

Im Original machten Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis jr. zwischen Film, Leben und Lustprinzip keinen Unterschied. Auch Steven Soderbergh fährt nun in seiner Neufassung von „Ocean's Eleven“ ein unglaubliches Staraufgebot auf für ein elegantes, altmodisches Märchen vom perfekten Verbrechen

von THOMAS WINKLER

Remakes haben ein großes Problem. Wenn das Original noch in Erinnerung ist, war es so gut, dass die Wiederaufbereitung nur enttäuschend ausfallen kann. War der erste Film schlecht, kann sich niemand mehr an ihn erinnern, und der Werbeeffekt für den neuen ist dahin.

Steven Soderbergh umkurvt bei seiner Neufassung von „Ocean's Eleven“ die Problemlage geschickt. Zwar gilt der orginale „Ocean's 11“ gemeinhin als einer der überflüssigsten Filme aller Zeiten, aber das ihn beherrschende Rat Pack der damaligen Showstars hat nichts von seiner Faszination verloren. So steht Robbie Williams mit seiner Hommage an Frank Sinatra momentan an der Spitze der Charts.

Im Original ging es vor allem darum, „diesen Typen“, so George Clooney, Hauptdarsteller des Remakes, „beim Trinken zuzusehen“. Die Story blieb bestenfalls Mittel zum Zweck, um Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis jr. und ihre Kumpels dabei zu betrachten, wie sie ihren eigenen Mythos weiter verfestigten. Als Film aber war „Ocean's 11“ so belanglos, dass Julia Roberts, die einzige Frau im Staraufgebot des neuen „Ocean's Eleven“, einschlief bei beiden Versuchen, die Vorlage zu sehen.

Als Frankieboy und Konsorten ihr Vehikel 1960 für schlappe zwei Millionen Dollar aufnahmen, wählten sie Story und Location, weil sie eh in Las Vegas abhingen. Gedreht wurde, wenn es die Stars nach den nächtlichen Auftritten und Partys im Sand aus dem Bett und zum Set schafften. Es geht sogar die Legende, dass während der Dreharbeiten auf der Anzeigetafel des Casinos zu lesen war: „Heute Abend: Dean Martin. Vielleicht auch Frank. Oder Sammy.“ Film als Leben als Lustprinzip.

Davon ist nicht viel übrig geblieben. Soderbergh hat für sein 80 Millionen teures Remake nur das Grundgerüst des Plots übernommen, den Raubüberfall der elf Mann starken Bande. Ansonsten ist wenig beim Alten: Aus dem Film noir wird eine Komödie. Diesmal versammelt Danny Ocean keine Kriegsveteranen, sondern Hochleistungsverbrecher: Ein Taschendieb, diverse Spitzenbetrüger, zwei Fahrer und Autobastler, der Sprengstoffexperte, der Computer-Fachmann und ein lebender Gummiball sollen gleichzeitig Mirage, MGM Grand und Bellagio berauben. Im Original waren es noch fünf Casinos, und es ging pauschal um „Millionen“. Nun stehen exakt 160 Millionen US-Dollar zur Disposition. Bei Soderbergh wird – im Gegensatz zum Original – nie die moralische Frage gestellt. Es spielt keine Rolle, ob Gesetze verletzt werden, wenn die glorreichen Elf ihrem Handwerk nachgehen. Dieb ist ein ehrenwerter Beruf wie jeder andere: Es gibt eben schlechte Verbrecher, gute Verbrecher und die, die ihre Profession zur Kunst erheben. Mit solchen haben wir es hier eindeutig zu tun.

Trotz aller Änderungen gab man sich Mühe, dem Original den nötigen Respekt zu erweisen. Nebendarsteller von damals tauchen für Sekunden im Publikum des Boxkampfes auf, um den herum der große Bruch arrangiert wird. Don Cheadle, der im Fernsehfilm „The Rat Pack“ Sammy Davis jr. spielte, übernimmt nun wiederum die Rolle von Davis. Auch sonst wird versucht, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Geschichten vom Spaß, den die Stars am Set hatten, machten die Runde. Die Promotion geriet zur großen Sause, in der Schauspieler und Regisseur sich inszenierten und die fragenden Journalisten zu Stichwortgebern degradierten. Konsequenterweise durften sich Clooney und Roberts für Esquire gleich gegenseitig interviewen.

Sinatra, Martin, Davis jr. und der Rest des Rat Packs gaben im Original gebeutelte Weltkriegsüberlebende, die von der Härte des Lebens ins Verbrechen gedrängt wurden. Die einzige Motivation für Clooney, Brad Pitt, Matt Damon und Kollegen sind das Geld und der Spaß, das perfekte Verbrechen auf möglichst elegante Art und Weise zu begehen. Und natürlich: das Mädchen zu kriegen. Sie sind unglaublich altmodische, ungebrochene Charaktere, mit sich selbst im Reinen. So wird Soderberghs „Ocean's Eleven“ zu einem stargespickten Märchen. Zu purer Unterhaltung, einer meisterhaft erzählten, aalglatten Flucht aus der Realität, dem perfekten Hollywoodprodukt. Für Soderbergh eine komplette Kehrtwende nach dem Umweltschutzdrama „Erin Brockovich“ und dem Drogenepos „Traffic“, mit denen er Oscars abräumte und sich gleichzeitig als Autorenfilmer mitten im Business etablierte. Es scheint fast so, als wollte er beweisen, dass er in der Lage ist, jedes, aber auch wirklich jedes Genre mit geradezu nassforscher Nonchalance zu meistern.

So macht es nun Spaß zu beobachten, wie grandios Anzüge auf unverschämt gut aussehenden Darstellern wie Clooney, Pitt oder Andy Garcia sitzen. Es macht Spaß, Las Vegas zu betrachten, eine Stadt, die im Kino immer weit besser aussieht als in Realität. Es macht Spaß zuzusehen, wie ein Raubzug noch „Rififi“ in den Schatten stellen kann. Es macht Spaß, dass die Bösen gewinnen und dabei auch noch in aller Ruhe Cocktails saufen. Ironie der Filmgeschichte: So allein Lustprinzip und Unterhaltung verpflichtet, entspricht der neue „Ocean's Eleven“ viel mehr noch als das Original den Klischees, die heutzutage vom Rat Pack noch geblieben sind.

„Ocean's Eleven“. Regie: Steven Soderbergh. Mit George Clooney, Matt Damon, Andy Garcia, Brad Pitt, Julia Roberts, Casey Affleck. USA 2001, 110 Min.