Lesen und schreiben lernen mit George Bush

Die Bildungsmisere in den USA hat auch die weiße Mittelschicht erreicht. US-Präsident Bush macht das Thema jetzt zur Chefsache

BERLIN taz ■ Caroline Howard ist frustriert. Die allein erziehende Mutter sorgt sich um die Ausbildung ihres siebenjährigen Sohnes Teddy. Seit September besucht er die erste Klasse einer städtischen Grundschule in Manhattan. „Die Schule ist pleite“, klagt Caroline, „Tische und Stühle sind kaputt, die Heizungen funktionieren selten, und wir Eltern zahlen vom Bleistift bis zum Lehrbuch sämtliche Lehrmaterialien.“ Dabei hat Teddys Schule einen vergleichsweise guten Ruf. Sie wird hauptsächlich von Kindern der weißen Mittelschicht besucht und hat ein höheres Unterrichtsniveau als die Schulen in den Armutsvierteln von New York.

Gerade weil der Bildungsnotstand inzwischen weite Teile der amerikanischen Gesellschaft erreicht hat, hat US-Präsident George Bush das Thema jetzt zur Chefsache erklärt. Die US-Regierung hält die Bildungsmisere für so dramatisch, dass sie nun auf höchster Ebene mitmischt. Mit jährlich 29,7 Milliarden Euro aus Bundesmitteln will die Regierung das öffentliche Schulsystem unterstützen; das sind 4 Milliarden Euro mehr als bislang.

Analphabeten in den Klassen

Am Dienstag unterzeichnete Bush ein Gesetz zur Bildungsreform, das die weitreichendsten Reformen seit 1965 vorsieht. Unter dem Namen „No child left behind-Act“ (Kein Kind wird zurückgelassen) soll besonders das Lesevermögen der amerikanischen Schulkinder verbessert werden. Denn 20 Millionen Kinder sind trotz Schulbesuchs Analphabeten, können weder lesen, schreiben noch rechnen. Daher schreibt das neue Gesetz regelmäßige Lese- und Mathetests vor. Liegt eine Schule zwei Jahre lang unter den durchschnittlichen Testwerten, können die Eltern ihren Nachwuchs auf eine andere Schule schicken. Erzielt die Schule nach drei Jahren immer noch unterdurchschnittliche Ergebnisse, muss sie den Schülern staatlich finanzierten Nachhilfeunterricht anbieten. Stellt sich selbst nach fünf Jahren keine Verbesserung ein, droht der Bildungsanstalt die Schließung. Schon als Governeur von Texas hatte Bush seinen Landsleuten erfolgreich vorgemacht, wie man mit einem höheren Budget und strikteren Schulkontrollen das Bildungsniveau der Schulkinder deutlich anheben kann.

Ob die nun angeschobene Reform bundesweit Verbesserungen bringen wird, ist fraglich. Denn nach wie vor bleibt die Schulfinanzierung an das Steuereinkommen der Kommunen gebunden. Reichen Gemeinden mit hohen Steuerabgaben steht also ein wesentlich höheres Schulbudget zur Verfügung als Kommunen, deren Einwohner mehrheitlich Sozialhilfeempfänger sind und kaum Steuern zahlen. So geben etwa die Schulen in Mississippi, dem ärmsten US-Bundesstaat, jährlich 4.500 Euro pro Schüler aus, während im wohlhabenderen New Jersey 10.000 Euro pro Schüler zur Verfügung stehen. Solange dieses System nicht grundlegend reformiert wird, ist ungewiss, ob Bildungsreformen tatsächlich alle amerikanischen Schüler erreichen. KIRSTEN GRIESHABER