Rache für Schaden durch Raubkopien

Die USA verteuern Warenimporte aus der Ukraine: Dort werde CD- und Videopiraterie Vorschub geleistet

BERLIN taz ■ Der Verkäufer unweit der Hauptstraße Chrestschatik im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist sichtlich nervös. Vor ihm stapeln sich CDs und Videofilme in Pappkartons auf einem Klapptisch. Die Kartons sind in riesengroßen Tragetaschen versenkt – um in Minutenschnelle das Feld räumen zu können. Die neuesten Musik-CDs, die im Westen zwischen 15 und 20 Euro kosten, sind hier für ein Viertel dieses Preises zu haben. Das gleiche gilt für die aktuellste Computersoftware. Selbst Spielfilme, die im Westen noch nicht einmal im Kino angelaufen sind, wechseln hier für einen Spottpreis den Besitzer.

Diese Art von Geschäften könnte die Ukraine bald teuer zu stehen kommen. Nach der Aufhebung von Handelsbegünstigungen im vergangenen August, haben die USA jetzt Sanktionen gegen Warenimporte aus der Ukraine verhängt, die zum 23. Januar in Kraft treten sollen. Damit wollen sie Kiew für seinen halbherzigen Kampf gegen die illegale CD-Produktion abstrafen und gleichzeitig ihre eigenen Verluste kompensieren. Denn laut Expertenschätzungen gehen amerikanischen Unternehmen durch das ukrainische Raubkopieunwesen jährlich rund 75 Millionen US-Dollar verloren, weltweit belaufen sich die Verluste für die internationale Musikindustrie sogar auf Summen zwischen 250 und 300 Millionen US-Dollar.

Doch die Aussicht auf Verluste infolge der Sanktionen, die Regierungschef Anatoli Kinach mit 470 Millionen US-Dollar jährlich bezifferte, scheint das ukrainische Parlament, die Verchovna Rada, wenig zu beeindrucken. Nachdem die Abgeordneten bereits im Dezember ein neues Gesetz über das Urheberrecht blockiert hatten, scheiterte die Vorlage trotz Intervention von Staatspräsident Leonid Kutschma letzte Woche erneut. Von 406 Abgeordneten stimmten bei einer Enthaltung lediglich 169 dafür und 110 dagegen. 126 Volksvertreter blieben weg.

Die Zurückhaltung der Parlamentarier ist nicht erstaunlich. Die Kommunisten, die die größte Fraktion im Parlament stellen, sehen in der geplanten Gesetzesänderung nur einen Ausdruck von „westlichem Druck“, dem es sich zu widersetzen gilt. Sie wollen ihre Klientel nicht verprellen, am 31. März dieses Jahres sind in der Ukraine Parlamentswahlen. Doch eine Rolle könnte noch etwas anderes spielen: Viele Abgeordnete sind selbst in das Business verstrickt oder könnten versuchen, die Sanktionen zum Schaden ihrer Konkurrenten auszunutzen. BARBARA OERTEL