„Die magische Grenze sind 60 Zentimeter“

Alfred Gebert, Experte für Körpersprache, kennt das Händeschütteln als internationales Phänomen. Die sich dabei näher kommen, müssen sich gut riechen können – oder genau das den Pressefotografen demonstrieren wollen

taz: Herr Gebert, einem anderen die Finger quetschen, um damit zu grüßen oder eine Abmachung zu besiegeln – wie lang gibt es das überhaupt schon?

Alfred Gebert: Genaue Zahlen habe ich dazu nicht, aber bis in die Zeit vor Christus geht das auf jeden Fall zurück.

Was soll ein solcher Händedruck denn ausdrücken?

Wer über eine solche Berührung Körperkontakt aufnimmt, der zeigt, dass jemand dazugehört.

Ist das nur in unserem westlichen Kulturkreis gängig?

Nein, das ist eher universal. Japan ist da vielleicht noch auszunehmen. Da ist es eher angesagt, Visitenkarten auszutauschen. Innerhalb Deutschlands gibt es allerdings ein Gefälle beim Händedruck: Je weiter Sie nach Süden kommen, desto dichter rücken Ihnen die Leute dabei zu Leibe.

Also mehr eine Typfrage?

Was jemand in so einen Händedruck legt, welche Wertigkeit er für ihn hat, das ist eine ganz persönliche Geschichte. Als etwa Fidel Castro vor Jahren Bill Clinton dazu gebracht hat, ihm sekundenlang die Hand zu schütteln, hat Castro das medientechnisch ausgeschlachtet. Für Clinton war das nach eigenem Bekunden nichts von Bedeutung. Aber der hatte ja auch allgemein weniger Hemmungen bei Körperkontakt.

Wowereit und Gysi standen bei ihrem Händedruck fast Schulter an Schulter. Lässt sich daraus etwas ablesen?

Die magische Grenze sind etwa 60 Zentimeter. Wer mehr Abstand hält, signalisiert: Mit dir will ich nicht allzu viel zu tun haben. So einen Händedruck ganz ablehnen geht auch nicht – das gilt als Affront. Die sich näher als 45 Zentimeter kommen, müssen sich sprichwörtlich gut riechen können – immer vorausgesetzt, man macht’s nicht nur, weil zig Kameras auf einen gerichtet sind. INTERVIEW: STEFAN ALBERTI

Alfred Gebert ist Professor für Wirtschaftspsychologe an der Fachhochschule des Bundes in Münster und Experte für Körpersprache.