Liebenswürdig und zielbewusst

Jutta Limbach hat sich immer wieder neu erfunden. Aus der Wissenschaftlerin wurde erst eine Politikerin, dann kam der Job als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Hier schaffte sie es, das eher repräsentative Amt geradezu populär zu machen. Jetzt wird sie das Goethe-Institut führen

von CHRISTIAN RATH

Sie ist diplomatisch und weckt Vertrauen. Zugleich kann sie sich mit ihrer leisen, aber bestimmten Art gut durchsetzen. Jutta Limbach ist für ihren neuen Posten als Chefin des Goethe-Instituts, das unter Sparzwang leidet, sicher gut gerüstet. Nicht zuletzt bringt sie das Renommee ihres bisherigen Amtes mit: Als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts steht sie protokollarisch an fünfter Stelle im Staat.

Manche nennen sie die „mächtigste Frau Deutschlands“. Doch das ist ein etwas schiefes Bild. Schließlich gibt es am Verfassungsgericht selbst keine echte Hierarchie. Bei Abstimmungen zählen alle Richterstimmen gleich. Auch bei einem Patt kann die Präsidentin nicht sagen, wo’s lang geht.

Ursprünglich wollte Limbach Journalistin werden, das Jurastudium sollte ihr nur das nötige Hintergrundwissen bringen. Dann machte ihr die Rechtswissenschaft so viel Spaß, dass sie dabei blieb. 1972 ging sie als Professorin für Zivil- und Handelsrecht nach Berlin. Eine geradlinige wissenschaftliche Karriere also – bis sie 1989 im Alter von immerhin schon 54 Jahren überraschend Politikerin wurde. Walter Momper holte sie als Justizsenatorin in seinen rot-grünen Senat. Ruhig, aber zielstrebig versah sie ihr Amt und galt bald als einer der Aktivposten des Senats. Insbesondere die Aufarbeitung der Systemverbrechen in Ostdeutschland lag ihr am Herzen.

Fünf Jahre später ein neuer Karrieresprung. Jutta Limbach bleibt zwar bei der Juristerei, wechselt aber in die Rechtsprechung. Allerdings nicht an irgendeinem Gericht, sondern an der höchsten und politischsten Instanz in Deutschland, dem Bundesverfassungsgericht. Ein halbes Jahr später ist sie Präsidentin des Gerichts, nachdem Vorgänger Roman Herzog zum Bundespräsidenten gewählt wurde. „Ich weiß, dass ich mein Amt der Tatsache verdanke, dass ich eine Frau bin“, sagt sie selbstbewusst.

Sichtbar war Jutta Limbach als Präsidentin auf jeden Fall. Man kann sogar sagen, dass sie das eher repräsentative Amt geradezu populär gemacht hat. „Liebe Frau Limbach, ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen und glaube, dass man Ihnen vertrauen kann“, so beginnt ganz formwidrig manche Eingabe an das Karlsruher Verfassungsgericht.

Es ist vor allem ihre etwas altmodische liebenswürdige Art, die sofort eine verbindliche Atmosphäre schafft. Immer wieder heißt es, sie wirke mütterlich. Darüber kann Jutta Limbach nur den Kopf schütteln: „So sehe ich mich überhaupt nicht.“ Wie sollte sie? Damit sie und ihr Mann, ein Jurist, berufstätig sein konnten, wurde eine Kinderfrau beschäftigt. Und als Jutta Limbach mit 37 Jahren Professorin wurde, kümmerte sich vor allem ihr in Bonn verbliebener Gatte um die Erziehung der drei Kinder.

Für ihre neue Aufgabe beim Goethe-Institut kommt ihr zugute, dass sie bereits am Bundesverfassungsgericht mit Haushalts- und Strukturfragen befasst war. Ihr Gegenüber war dort allerdings kein Ministerium, sondern direkt der Bundestag, denn das höchste deutsche Gericht hat einen eigenen Etat im Bundeshaushalt. Nennenswerte Kürzungen gab es unter Limbach keine. Auch die internationale Perspektive liegt ihr nicht fern. Denn viele Länder in Osteuropa und in der Dritten Welt haben sich ein Verfassungsgericht nach deutschem Vorbild geschaffen und wollen nun von den Karlsruher Erfahrungen profitieren. Jutta Limbach wurde in diesem Dialog längt zur Expertin für Menschenrechtsfragen in jungen Demokratien. Beim Goethe-Institut hat man die Wahl von Limbach denn auch als „inhaltlich-politisches“ Signal bezeichnet.

Ihr neues Amt wird die gebürtige Berlinerin erst im Mai antreten. Zwar endet Limbachs Amtszeit offiziell schon im März, wenn sie ihren 68. Geburtstag feiert. Doch der Zweite Senat des Verfassungsgerichts will unter ihrer Leitung noch über den Antrag auf ein NPD-Verbot entscheiden. Ob die Präsidentschaft am Goethe-Institut Limbachs letztes großes Amt ist, wird sich zeigen. Immer wieder kommt sie auch als erste deutsche Bundespräsidentin ins Gespräch. Schon für die Nachfolge von Roman Herzog galt sie als heiße Anwärterin. Doch dann drängte Johannes Rau ins Schloss Bellevue, und Limbach fand ihren Karlsruher Posten eigentlich auch interessanter. Doch in zwei Jahren schon wird wieder gewählt.