aus der marketingküche
: Wie der Nu-Divas-Hype gebastelt wurde

Die Winterkollektion

Es war einmal eine große Plattenfirma. Die hatte fünf Vokalakrobatinnen aus den USA unter Vertrag, deren Platten verkauft werden wollten, und einen Mann mit einer Idee. Dieser Mann war Presseabteilungsleiter und er hatte keine Lust mehr, all den Menschen, die so ein Pressechef „Medienkontakte“ zu nennen pflegt, immer wieder neu erzählen zu müssen, wie großartig diese Sängerin nun wieder ist und wie unglaublich toll jene Rapperin. Seine ausgesprochen praktische Idee ging so: Ich packe die fünf unter einen griffigen Begriff und zähle nur noch fröhlich die Synergieeffekte. „Man hat uns den Vorwurf gemacht, wir hätten uns einen Trend gebastelt“, hat Oliver Opitz feststellen müssen, seit er als Leiter der Presseabteilung bei BMG Ariola München, eines gewichtigen Teils des Entertainment-Riesen Bertelsmann, die Damen Alicia Keys, Blu Cantrell, Olivia, Pink und Lisa Lopes unter dem Oberbegriff „Nu Divas“ auf den deutschen Markt gebracht hat.

Unter diesem Titel wurde eigens eine exklusive CD für Journalisten gepresst; in Anzeigen, TV-Spots und auf der Website nu-divas.com wird immer für alle fünf Künstlerinnen unter dem gemeinsamen Label geworben; auf den Veröffentlichungen finden sich Aufkleber, die auf die anderen Nu Divas verweisen. Und langsam, aber sicher, so hat es Opitz beobachten können, „hat sich der Begriff verfestigt“.

Ein Begriff, unter dem der BMG-Konzern Künstlerinnen subsummiert hat, die durch die Bank noch sehr jung sind, ihre Songs und ihre unverblümten Texte selbst schreiben. Sie sollen so einen neuen, unabhängigeren Frauentypus repräsentieren, der sich vom alten Soul-Diven-Image abhebt, das von Aretha Franklin über Whitney Houston bis hin zu Mary J. Blige von leidender Duldsamkeit geprägt war. Nu, so will es BMG, steht zum einen für – natürlich – neu, aber auch als Abkürzung von „nubian“. Pink allerdings ist blütenweiß und ganz und gar nicht mehr neu: Das erste Album der Rapperin „Can’t Take Me Home“ verkaufte sich bereits Anfang letzten Jahres recht gut. Auch Lisa Lopes ist als ein Drittel der überaus erfolgreichen R&B-Girlgroup TLC schon eine Veteranin im Popgeschäft. Und noch eine möglicherweise interessante Randnotiz: Der Begriff Nu Divas stammt zwar aus den Vereinigten Staaten, er ist dort aber durchaus nicht allzu gebräuchlich. Eher selten bis gar nicht taucht er in der Presse auf. So sucht man ihn auch in der Titelgeschichte des US-Rolling Stone über Alicia Keys vergeblich.

„Natürlich“, gibt Opitz zu, „vereinfachen wir Dinge, aber Medien brauchen die Vereinfachung, sie brauchen Schubladen. Da haben wir die Schublade eben selber gemacht.“ Der Erfolg gibt ihm wie immer Recht: Geradezu „dankbar aufgenommen“, hat Opitz festgestellt, haben die deutschen Medien seine Strategie, „zusammenzufassen, was zusammengehört“.

Dem ungeahnten kommerziellen Erfolg der erst 20-jährigen Keys und ihres hochemotionellen Souls vor allem aber ist es wohl zu danken, dass die Nu Divas ein Medienthema geworden sind. Während sich ihre Single „Fallin‘“ und ihr Album „Songs in A Minor“ sowohl in den USA wie auch hier an der Spitze der Charts tummelten, wurden die ersten Artikel gedruckt, in denen das in München erdachte Phänomen Nu Divas beleuchtet wird, so in Bravo und Max. Das war aber erst der Anfang. Bis Ende Januar mit dem Album von Pink, das als letztes der fünf Alben erschien, wurde das Diven-Thema mit Anzeigen in Unterhaltungs- und vor allem Frauenmagazinen wie Brigitte und Amica massiv beworben.

Fürs Frühjahr ist eine weitere Compilation-CD mit noch mehr neuen Diven angedacht. „Es geht darum, die Marke zu etablieren“, sagt Opitz, und er kann sich in näherer Zukunft selbstverständlich auch eine Nu-Divas-Modekollektion vorstellen – „wenn ein namhaftes Bekleidungshaus mit uns zusammenarbeiten will“. THOMAS WINKLER