Rechte Häme für Otto Schily

■ Panne im NPD-Verbotsverfahren: Auch norddeutsche Neonazis entdecken sich als „künstlich radikalisiert“ durch V-Männer

In der militanten Neonaziszene im Norden hat das Verfassungsschutzdebakel vor dem Bundesverfassungsgericht in Sachen Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) übereinstimmend Häme hervorgerufen. Und auch das seit Beginn des Verbotsverfahrens Anfang 2001 gestörte Verhältnis zum NPD-Bundesvorstand scheint wieder hergestellt: „Feigheit vor dem Feind“ hatten die von „freien Nationalisten“ unterwanderten norddeutschen NPD-Landesverbände der Parteispitze vorgeworfen, als der Vorsitzende Udo Voigt wegen eines möglichen Verbots anwies, keine militanten Aufmärsche mehr durchzuführen, und ihre Partei-Prozessbevollmächtigten Horst Mahler und Hans-Günter Eisenecker öffentlich erklärten, die NPD sei doch „nicht verfassungsfeindlich“.

Und jetzt? „Wenden Sie sich an den Bundesvorstand“, empfahl gestern Ulrich Harder. Zwar wollte der Hamburger NPD-Vorsitzende zunächst „nichts sagen“, aber auch der von Mahler aufgestellten Behauptung nicht mehr widerprechen, die NPD sei durch eingeschleuste V-Männer künstlich „radikalisiert“ worden, um sie als „aggressiv-neonazistisch“ zu verbieten.

Auch der schleswig-holsteinische NPD-Vorsitzende Peter Borchert setzt der Bundesvorstandseinschätzung nichts mehr entgegen. – Dabei hatte die Bundesspitze im vorigen Jahr noch versucht, Borchert wegen des Verbotsverfahrens abzusetzen, da dieser durch seine Verurteilungen wegen Gewalttaten und Beziehungen zu militanten Neonazis als personifizierter Verbotsgarant gilt. – Auf der Website des Landesverbandes befindet sich lediglich der Link zu der extra vom Bundesvorstand eingerichteten npdverbotsverfahren-homepage. Der Kieler Kreisverband stellte auf seine Website zusätzlich noch einen Kommentar der Süddeutschen Zeitung über den „Staat als Provokateur“.

Das „Bündnis Rechts Lübeck“ um Dieter Kern greift ebenso auf die Vorstandseinschätzung zurück. „Die Verbotsanträge richten sich gegen eine Phantompartei“, zitiert das Bündnis Mahlers Behauptung, dass V-Männer diese „Phantompartei“ durch provokatives innerparteiliches Auftreten erst schufen, um ein Verbot der NPD rechtfertigen zu können.

Unterdessen hat sich gestern auch Rechtsstaatler Ronald B. Schill zu Wort gemeldet. Hamburgs Innensenator forderte den Rücktritt von Bundesinnenminister Otto Schily, weil durch die Verfassungsschutz-Panne die NPD nun womöglich doch noch zur Bundestagswahl im September antreten dürfe. Andreas Speit