Serbische Minderheiten

betr.: „Europas erstes Scheitern in Jugoslawien“ (Erich Rathfelder), taz vom 15. 1. 02, „Verfrüht und ohne Konzept“ (Andreas Zumach), taz vom 19. 1. 02

Ein Drittel aller Serben lebten vor den Kriegen außerhalb Serbiens. Die eigentliche Ursache der Kriege ist, dass – befürwortet von Deutschland/Österreich – innerhalb Jugoslawiens Grenzen gezogen wurden, ohne vorher dieses Problem zu lösen. Das kroatische Staatsgebiet umfasste geschlossene Regionen, in denen hunderttausende Serben seit Jahrhunderten siedelten. Diese Gebiete hätten Serbien zugeschlagen werden müssen, zumindest hätte es eine Autonomie geben müssen, wie sie Tito seinerzeit für die Kosovo-Albaner eingeführt hatte.

Der Aufstand dieser Serben war ebenso vorhersehbar wie der Aufstand der Albaner nach Rücknahme der Autonomie des Kosovo. Da sie freilich nicht die Nato als Luftwaffe hatten, ist das Ergebnis ein anderes: In der größten Vertreibungsaktion des Krieges wurden fast alle vertrieben. Weil es sich aber nicht um Verbrechen der Serben, sondern um Verbrechen an den Serben handelt, hat man kaum davon gehört.

Der Austritt Bosniens war die logische Folge der Unabhängigkeit der anderen Republiken. Denn Bosnien wäre sonst in einem nun von Serbien völlig dominierten Restjugoslawien verblieben. Die Regierung Bosniens setzte die Unabhängigkeit verfassungswidrig gegen die Stimmen der serbischen Minderheit durch (zirka ein Drittel der Bevölkerung).

Auch dies wurde von Deutschland/Österreich gefördert. Die absehbare Folge war der Aufstand der bosnischen Serben, das Ergebnis ist ein serbischer Teilstaat in Bosnien. Diesem wird der Austritt aus dem bosnischen Staat verweigert, obwohl man ein solches Recht für Slowenen, Kroaten und inzwischen auch Kosovo-Albaner legitim fand.

Natürlich sind die von den serbischen Minderheiten angezettelten und von der jugoslawischen Armee unterstützten Kriege in ihrer Brutalität nicht zu rechtfertigen. Die Anerkennungspolitik Genschers ist aber mit dafür verantwortlich, dass es überhaupt zu diesen Kriegen kam. Dass die Ängste der serbischen Minderheiten völlig abwegig gewesen wären, wird niemand ernsthaft behaupten. Im Kosovo sind inzwischen fast alle serbischen und sonstigen Minderheiten getötet oder vertrieben.

PAUL TIEFENBACH, Bremen