DER VERFASSUNGSSCHUTZ DARF NICHT LÄNGER GESCHÜTZT WERDEN
: Wer hat wen gesteuert?

Wolfgang Frenz, NPD-Mitbegründer und Mitglied des Bundesvorstands, war bis 1995 „Vertrauens“-Mann des Verfassungsschutzes. Udo Holtmann, NPD-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen und 1995 gar kommissarischer Chef der Bundespartei, war bis vor einer Woche aktiver V-Mann. Der ehemalige stellvertretende NPD-Chef Thüringens, Tino Brandt, hat sich bereits vor Monaten als V-Mann geoutet.

Neben diesen vom Bundesinnenministerium bestätigten Maulwürfen geistern weitere Namen durch die Diskussion: Der Thüringer NPD-Chef Frank Schwerdt soll nach PDS-Angaben aktiver V-Mann sein. CDU-Quellen nennen die nordrhein-westfälischen NPD-Funktionäre Thorsten Crämer und Nico Wedding als V-Leute – beide wurden im Sommer 2000 wegen eines Überfalls auf eine KZ-Gedenkstätte rechtskräftig verurteillt. Gerüchte über weitere Spitzel gibt es noch viele.

Mit jedem neuen Namen stellt sich erst recht die Frage: Ist die NPD vom Verfassungsschutz nicht nur beobachtet, sondern gar teilweise gesteuert worden? Warum haben sich die Verfassungsschutzbehörden sich nicht an ihre eigenen Vorschriften gehalten und V-Leute abgeschaltet, sobald sie in der NPD in führende Positionen aufgestiegen sind? Und gab es regelrechte Doppelagenten, die umgekehrt die NPD auch über die Absichten des Verfassungsschutzes informierten? Kurz: Wer hat eigentlich wen beobachtet und gesteuert?

Holtmanns Rolle allerdings soll innerhalb des Verfassungsschutzes bereits 1993 heftig umstritten gewesen sein. Bundesinnenminister Schily behauptet, davon nichts gewusst zu haben. Sollte dies zutreffen, lässt sich daraus schließen: Der Verfassungsschutz führt ein skandalöses Eigenleben.

Noch ist nicht klar, wie und ob das NPD-Verbotsverfahren fortgesetzt wird. Aber ein Ergebnis lässt sich absehen: Der Verfassungsschutz kann nicht mehr länger geschützt werden. Es steht die Debatte an, ob wir einen solchen Nachrichtendienst überhaupt brauchen, der rechtsextreme Parteien päppelt – und dabei nur das Offensichtliche ermittelt.

ANDREAS WYPUTTA