NPD-Experten als Sozialistenfresser

Zwei der drei Gutachter, die das Bundesverfassungsgericht für das NPD-Verbotsverfahren bestellt hat, verwenden einen untauglichen Begriff von „Extremismus“. Die Politologen Uwe Backes und Eckhard Jesse finden vor allem die PDS gefährlich

von CHRISTIAN SEMLER

Verfassungsrichter Hans Joachim Jentsch, ehemals hessischer CDU-Politiker, hat für das Verbotsverfahren gegen die NPD drei Gutachter bestellt. Zwei der Namen ließen gestern – in der Süddeutschen Zeitung – die Alarmglocken schrillen. Nicht zu Unrecht. Denn Sachkunde wie Objektivität der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und Uwe Backes sind fragwürdig.

Beide Gelehrte geben das Jahrbuch „Extremismus und Demokratie“ heraus. Die Crux dieses Unternehmens liegt in in seiner Vorstellung von „Extremismus“. Jesse und Backes glauben, damit sei es möglich, verfassungsfeindliche Angriffe des rechten wie des linken „Randes“ nicht nur vergleichend zu erforschen, sondern auch miteinander zu identifizieren.

Eine solche Vorgehensweise widerspricht aber dem im Kern unterschiedlichen Verhältnis radikal linker und rechter Positionen zur Demokratie. Der linke Radikalismus kritisiert parlamentarische Demokratie und Gewaltenteilung im Namen eines gesellschaftlich erweiterten Demokratiekonzepts und vernachlässigt deshalb die Bedeutung von Institutionen und rechtsstaatlichen Garantien. Darin liegt eine totalitäre Versuchung, die aber kein Wesensmerkmal darstellt, sondern korrigierbar ist.

Die radikal rechte Position hingegen lehnt mit dem Parlamentarismus jede Regierungsform ab, die auf Wahlen und der Verantwortlichkeit der Gewählten gegenüber den Wählern basiert. Sie geht von vornherein von der totalitären, durch Rasse oder Nation gestifteten Einheit zwischen Herrschenden und Beherrschten aus.

Backes und Jesse setzen gegen den Extremismus eine „Mitte“, die sie aber nicht fassen können und die irgendwie mit dem Guten und Maßvollen, eben dem Mittleren übereinstimmen soll. Das mag für ihre individuelle Lebensführung nützlich sein, taugt aber nichts für die Wissenschaft. Gefährlich werden ihre Annahmen dort, wo sie umstandslos die PDS mit den Parteien der radikalen Rechten gleichsetzen.

Scheinbar geht Backes differenzierter vor. In seinem Organisationsaufsatz im letzten Jahrbuch „Extremismus und Demokratie“ bezeichnet er nur die radikale Linke in der PDS als „extremistisch“. Worin aber dieser Extremismus sich manifestiert und in wiefern er identisch mit dem rechten politischen Radikalismus sein soll, dafür liefert Backes nicht den geringsten Anhaltspunkt. So gilt ihm die generelle Ablehnung bewaffneter UNO-Interventionen auf dem Parteitag der PDS in Münster als Sieg der „Extremisten“, ohne auch nur einen oberflächlichen Blick auf die politische Zusammensetzung dieser Nein-Koalition zu werfen. Bei Licht besehen handelt es sich bei Jesses und Backes’ „Linksextremismus“ um einen politischen Kampfbegriff als Mittel zur Denunziation.

Für die Einschätzung der NPD bleiben diese Ansichten nicht folgenlos. Denn sie legen nahe, bei Parteiverboten doch lieber mit den gefährlicheren Extremisten anzufangen. So beklagte Jesse kürzlich in seinem Aufsatz in der Welt, dass heute kaum noch jemand die PDS als extremistisch bezeichnet. Er charakterisiert die Partei hier als „eine weiche Form des Extremismus“, womit er die Unsinnigkeit seiner Begriffsbildung selbst enthüllt.

Jesse schlussfolgert, „die Erosion der Abgrenzung zwischen demokratisch und extremistisch geschieht am linken, nicht am rechten Rand“. Das bedeutet: Die rassistische und fremdenfeindliche Rechte verfügt über keinerlei politische Anknüpfungspunkte im Milieu der „Mitte“, weil hier die „Abgrenzung“ funktioniere. Damit wäre ein wichtiges Kriterium, das Backes und Jesse selbst früher für die Rationalität eines NPD-Verbots aufgestellt haben (Infiltration in weiteren sozialen Milieus, Einstellungen weiterer Teile der Bevölkerung) hinfällig.

Wer hat Richter Jentsch nur den Tipp mit diesen beiden Gutachtern gegeben? Vielleicht sein ehemaliger Sozius in der Wiesbadener Anwaltskanzlei, Manfred Kanther?