„Dann müsste ich zur Schauspielschule“

Von „Sue“ über „Fiona“ zu „Bridget“: Die Schauspielerin Anna Thomson über die Frauenfiguren, die sie in den Filmen von Amos Kollek verkörpert

taz: Frau Thomson, Sie verkörpern stets Frauen, die zugleich fragil und zäh sind. Wie erzielen Sie diese Ambivalenz?

Anna Thomson: Manchmal muss man ja gar nicht spielen, weil man schon vom Äußeren her einen bestimmten Eindruck erweckt. Ich wiege etwa 92 Pfund und bin sehr stark. Wenn ich eine Frau aus Ohio verkörpern müsste, die Schwierigkeiten mit ihrer Geschirrspülmaschine hat, dann müsste ich wohl zur Schauspielschule. Aber jemand, der sich nicht unterkriegen lässt – das passt gut zu mir.

„Bridget“ ist der vierte Film, den Sie gemeinsam mit Amos Kollek drehen. Haben Sie keine Angst, sich zu wiederholen?

Ich hoffe, es wird nicht redundant. Wenn man immer wieder den gleichen Film dreht, wird es sicher ein Problem. Aber wenn man sich weiterentwickelt, ist es in Ordnung.

Eine Verschiebung fällt auf: Von der Härte, die „Sue“ und „Fiona“ hatten, rückt „Bridget“ ab, indem Sie sich eine komische, verspielte Seite leisten.

„Sue“ entstand in einem ganz bestimmten Augenblick. Amos hat ein sehr gutes Gespür, und er sah, dass ich auf der Stelle trat. Das nutzte er. Später wollte er eine Komödie machen, um zu sehen, ob das funktioniert.

„Bridget“ erstreckt sich über einen Zeitraum von zehn Jahren – das heißt, dass sich so mehr Schattierungen ergeben.

Sehen Sie darin eine Weiterentwicklung?

„Bridget“ fängt an, wo „Sue“ und „Fiona“ aufhören. Diese enden mit dem Tod, während in „Bridget“ die Figur am Anfang so gut wie tot ist. Nach und nach tritt sie ins Leben zurück.

Bridget muss ständig etwas verkaufen oder eintauschen – Gefühle, Sexversprechen, Drogen, Falschgeld. Warum?

Weil sie überleben muss. Wenn man ihr einen Job in der Peepshow anbietet, ist das wunderbar. Was sollte sie sonst auch tun? Eine Telefongesellschaft leiten? Dafür ist sie nicht gemacht.

Mögen Sie Fassbinder?

Ja, sehr

Meinen Sie, dass „Bridget“ etwas von seinen Filmen hat?

Ja.

Was?

Das ist schwierig zu sagen. Ich möchte nicht wie eine Idiotin über Fassbinder reden, schon gar nicht, wenn ich in Deutschland bin. Ich weiß nicht genug über ihn. Aber die Filme, die ich kenne, haben Sinn für Humor und sind zugleich dunkel, sie haben überraschende Momente der Schönheit und der Katastrophe.

„Bridget“ ist nicht der einzige Film der Berlinale, der eine desolate und zugleich starke Frauenfigur entwickelt. Gibt es eine Tendenz, diese Widersprüchlichkeit in den weiblichen Figuren anzulegen?

Als ich „Heaven“ sah, dachte ich: „O mein Gott, das ist der gleiche Film!“ Vielleicht bin ich die Einzige, die das so sieht; ich hoffe es sogar. Es kann gut sein, dass sich so etwas wie eine Strömung, eine Welle abzeichnet. Die Kulturen nähern sich einander an, so dass Menschen in unterschiedlichen Ländern ähnlich wahrnehmen. Eine bestimmte Sache mag dann für eine bestimmte Zeit en vogue sein, um später wieder zu verschwinden.

INTERVIEW: CRISTINA NORD