Wer hat Angst vor Schwarz, Grau, Weiß?

Fausto Cattaneo warnt in seiner rasanten Autobiografie davor, dass die organisierte Kriminalität immer stärker die legale Wirtschaft bestimmt

„Für uns riskierte er sein Leben“, schrieb der renommierte Schweizer Publizist Jean Ziegler. Denn Fausto Cattaneo schlich sich als Undercoveragent der Schweizer Polizei jahrelang in globale Drogenkartelle ein und verfolgte die Geldwäsche der schmutzigen Millionen. FBI und BKA dankten ihrem Kollegen dafür mit Orden.

Cattaneos Biografie ist ein Krimi, spannend, rasant, manchmal verwirrend. Zur Sensation wird es durch seine überzeugende politische These: Die organisierte Kriminalität dringt immer tiefer in unsere Wirtschaft ein, und die Politik schaut dabei tatenlos zu.

Der immer noch verborgen lebende Exagent steht mit seiner Angst vor der schleichenden Legalisierung der Ökonomie des Verbrechens nicht allein dar. Beispielsweise schätzt der Internationale Währungsfonds den kriminellen Ertrag pro Jahr – je nach Definition – auf 590 bis 1.500 Milliarden Dollar. Das Problem aller Gangster: Dieses schwarze Geld – erwirtschaftet mit Drogen und gewaltsamer Prostitution, mit Waffenschmuggel und Umweltkorruption – muss weiß gewaschen werden, damit es brauchbar wird.

Die typische Geldwäsche funktioniert als Kreislauf. Der Geldwäscher kann ein angesehener Geschäftsmann, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer in Frankfurt sein. In seinem Auftrag schmuggeln professionelle Kuriere das in mehrere Portionen gestückelte schwarze Geld in die Schweiz, nach Liechtenstein, Luxemburg oder Ungarn. Die Kuriere schlüpfen offen durch das weitmaschige Netz des Zolls. Im Zielland angekommen, deponiert es ein weiterer „bürgerlicher“ Mittelsmann auf ein Bankkonto, etwa in Zürich. Damit ist das Geld zumindest grau und es ist in den legalen Finanzkreislauf eingespeist. Aber professionelle Geldwäscher belassen es nicht dabei. Sie jagen das graue Geld lieber noch ein wenig über den Globus und überweisen es in mehrere Länder und wieder zurück nach Zürich. Dort wird das frische Kapital in ein Schweizer Unternehmen investiert, das im Gegenzug an den ursprünglichen Besitzer des Schwarzgeldes in Frankfurt einen Kredit verleiht. Das Geld ist nun weiß gewaschen, und Zinsen für den Kredit können sogar dem deutschen Fiskus als Investitionskosten steuermindernd in Rechnung gestellt werden.

Fausto Cattaneo ist überzeugt davon, dass die organisierte Kriminalität durch das ökonomische Gewicht ihrer kriminellen Milliarden und durch die Geldwäsche immer tiefer in die normale Wirtschaft hineinwuchert und sich zusammenfügt. Dies habe auch das erst 1993 geschaffene Geldwäschegesetz nicht verhindert.

Mehr oder weniger handfeste Belege für diesen Wucherungsprozess gibt es viele. Cattaneo nennt in seinem Buch unter anderem Schweizer Banken als Helfer. In Großbritannien wirft die Finanzaufsicht fünfzehn Instituten eine schwache Kontrolle vor. Luxemburger Töchterunternehmen der Deutschen Börse (Clearstream) oder des Hamburger Privatbankiers M. M. Warburg sollen laut Presseberichten bei Geldwäschetransaktionen mitgeholfen haben, und die Anti-Betrugs-Einheit der Europäischen Kommission hat die amerikanischen Tabakkonzerne Reynolds und Philip Morris wegen organisiertem Zigaretten- und Drogenschmuggel mit anschließender Geldwäsche angeklagt. Verwickelt in die Geldwäsche sind jedoch nicht allein Topmanager und Konzerne, sondern auch Pizzerias und Reisebüros, Im- und Exportfirmen, Scheinbanken, Sicherheitsdienste und Finanzmakler, Baufirmen und Wertpapierhändler.

Doch: „Organisierte Kriminalität funktioniert nur wegen der Unterstützung durch die Politik“, meint Cattaneo. Ermittler würden oft gebremst, wenn sie in zu hohe Kreise vordringen; die internationale Vernetzung der nationalen Polizeibehörden hinkt der Zeit hinterher. Obendrein werden Polizei und Zoll für ihren Kampf gegen die globale High-Tech-Kriminalität materiell nur ungenügend ausgerüstet.

Nicht allein in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und Italien, in Frankreich und den USA sei es „obligatorisch“, dass kleine und große Politiker Unternehmen und Banken schützen, die von den Einlagen der Geldwäscher profitierten. Da kann es nicht verwundern, dass viele Abgeordnete im Europäischen Parlament eine Verschärfung der Geldwäscheverordnung hintertreiben, wie sie die EU-Kommission und wohl auch Bundesfinanzminister Eichel wollen. Dabei „wäre ein Sieg über die Geldwäsche und die organisierte Kriminalität möglich, wenn die Weltpolitik eingriffe“, resümiert Fausto Cattaneo in seinem vorzüglichen Buch.

HERMANNUS PFEIFFER

Fausto Cattaneo: „Deckname Tato. Als Undercoveragent gegen die Drogenkartelle“, 376 Seiten, Pendo Verlag, Zürich/München 2001, 19,90 €