Ich rieche Menschenfleisch

Im Dienst der Aufklärung: In „Pakt der Wölfe“ verbünden sich hübsche Philosophen und stille Irokesen gegen die Angst

von DETLEF KUHLBRODT

Unverkennbar ist die Begeisterung, die der französische Regisseur Christophe Gans Bruce Lee und dem großen, alten Mann des Horrorfilms, Dario Argento, entgegenbringt. Gans' „Pakt der Wölfe“ ist ein aufwändig-düsterer, actionreicher und spannender Historienfilm, mit Martial-Arts-Effekten von eigens aus Hongkong engagierten Spezialisten, Horrorfilm- und Krimi-Elementen, der sehr opulent daherkommt und trotz seiner Länge von 140 Minuten nie langweilig ist. In Frankreich war der Film ein Riesenerfolg. Alles beruhe zudem auf einer wahren Begebenheit, so hört man.

Südfrankreich im Jahre 1764: Nebel liegt wie ein nasses Leichentuch über der bergigen Landschaft, in der Schreie der Angst zu Hause sind und zerlumpte Söldner mit schmutzigen Schuhen durchs schöne Bild stampfen. Sie suchen die Bestie, die seit zwei Jahren in der Gegend von Gevaudan ihr Unwesen treibt und mit Vorliebe Frauen und Kinder zu zerfleischen pflegt. Niemand kann sie stoppen; und keiner, der sie von nahem gesehen hat, kann von dieser Begegnung noch berichten.

Nur von weitem gibt es Schatten und Gerüchte: Manche sagen, es handle sich um eine Ausgeburt der Hölle, andere mutmaßen einen etwas groß geratenen Wolf, den eine schlecht gelaunte Natur ins Dasein warf. Wie dem auch sei: Die grobschlächtigen und schlecht bezahlten Söldner scheitern kläglich bei der Jagd nach dem Untier. Dem König, Ludwig XV., kommt die Unruhe in der Provinz ungelegen, könnten sich doch die unzufriedenen Untertanen gegen ihn wenden. So schickt er den gebildeten und kampfgewandten Gregoire de Fronsac (Samuel Le Bihan), um die Geschehnisse zu untersuchen. Begleitet wird der hübsche Philosoph und Naturkundler von einem getreuen Freund Mani (der hawaiianische Martial-Arts-Spezialist Mark Dacascos), ein schöner, schweigsamer Irokese mit ausgefeilter Kampftechnik, buddhistischem Gemüt und einem Sinn für die Geheimnisse der Natur. Beide lernten sich in Amerika kennen, wo die Franzosen den Indianern übel mitspielten. Als Gegner des dynamischen Duos tritt der nichtswürdige Chef einer korrumpierten Soldateska an. Zeit für allerlei höfische Romanzen und Tischgespräche zwischen Anhängern der Aufklärung und deren Gegnern bleibt auch noch.

Ein Film für Genießer sozusagen mit netten Tempowechseln. Am Ende steht eine weit verzweigte pynchoneske Verschwörung mit beeindruckend finsteren katholischen Hintermännern. Besonders die antiklerikalen Affekte des Films machen viel Spaß. Es stört nicht weiter, dass die Story sehr an den Kinoschocker „Sleepy Hollow“ erinnert. Schade allerdings ist, dass man es nicht vermieden hat, das Ungeheuer abzubilden. Die Konkretion ist bekanntlich ein allzu mächtiger Gegenspieler der Angst, mag andererseits die Herstellung der Bestie auch vielen Menschen Lohn und Brot gegeben haben.

„Pakt der Wölfe“. Regisseur: Christophe Gans, Frankreich 2000, 140 Min.