Anonyme Amerikaner und typische Tutsi

Was die Darstellung der Politik angeht, wimmelt Scholl-Latours „Afrikanische Totenklage“ von Fehlern und Rassismus

Es gibt zwei Dinge, die man in den Kriegsgebieten der Demokratischen Republik Kongo immer wieder hört: Die Amerikaner sind an allem schuld, und kongolesische Milizionäre können dank Magie nicht von Gewehrkugeln verwundet werden. Beides wird mit großem Ernst gesagt, oft von denselben Leuten, selbstverständlich ohne Beleg.

Genauso geht Peter Scholl-Latour in seinem Buch „Afrikanische Totenklage“ vor, wenn er vom Afrika der Großen Seen berichtet. Zwar schreibt er nichts von Magie, aber er macht die USA für alles verantwortlich – indem er es entweder selbst behauptet oder es von einem passenden Gesprächspartner sagen lässt. Vom Umsturz in Uganda 1986, als der heutige Präsident Yoweri Museveni an die Macht kam, über den Völkermord in Ruanda 1994 bis zu den gegenwärtigen Kriegen im Kongo – es sind immer Amerikaner, die „unter Wahrung strikter Anonymität die Fäden zogen“.

In Wirklichkeit war Museveni 1986 bei seiner Machtergreifung prolibysch und galt den USA als gefährlicher Revolutionär. Hinter den Geschehnissen um den Völkermord in Ruanda eine amerikanische Hand zu sehen und gleichzeitig die französische Steuerung des Hutu-Establishments zu ignorieren, grenzt an Geschichtsklitterung. Und es ist schlicht falsch, hinter der Firma Osleg, die Simbabwes hohen Militärs gehört und Mineralien im Kongo ausbeutet, „südafrikanische und somit in letzter Instanz nordamerikanische Interessenten“ auszumachen. Simbabwes Generäle operieren im Kongo auf eigene Rechnung und sind im Westen verfemt.

Es gibt viele Fehler in Scholl-Latours Buch. So wurde Paul Kagame nicht kurz nach dem Genozid von 1994 Ruandas Präsident, sondern erst 2000. Und die Banyamulenge-Tutsi führen im an Burundi grenzenden Teil Kongos kein „unerbittliches Regiment“, sondern sie werden verfolgt.

Solche Fehler sind symptomatisch. Denn Scholl-Latour sucht die Wurzel allen Übels der Region in der „Tutsi-Rasse“, natürlich US-gesteuert. Die Tutsi sind eine „äthiopische Herrenrasse“, also Fremde. Zu ihren Eigenschaften gehören „Arroganz“ und „misstrauische, oft irreführende Verschwiegenheit“. Ruandas Präsident Kagame ist „eine typische Verkörperung seiner hochgewachsenen, hageren Rasse“.

All das ist ungefähr so wie das Nazi-Zerrbild des Juden mit der krummen Nase. In Wahrheit sind Tutsi und Hutu keine Rassen, sondern jeweils soziale Schichten innerhalb der Völker der Ruander und der Burunder. Der Konflikt zwischen den extremen Vertretern dieser Gruppen ist ein politischer Machtkampf, und die Ethnisierung ist vor allem Teil der Propaganda, mit der man die eigenen Anhänger zusammenschweißt. Die Suche nach rassischen Unterscheidungsmerkmalen zwischen Hutu und Tutsi ist blanker Rassismus.

Scholl-Latour selbst gesteht: „Mir persönlich ist es in Ruanda – und noch weniger in Burundi – in vielen Fällen nicht gelungen, einen Hutu von einem Tutsi zu unterscheiden.“ Umso begeisterter ist er, wenn er an jemandem „äthiopische“ oder „semitische“ Gesichtszüge erkennt. Denn dann ist bewiesen, dass dieser Mensch im Afrika der Großen Seen nichts zu suchen hat.

Dies ist die Ideologie des ruandischen Genozids, die aus Ruandas Tutsi fremde Unterdrücker machte, deren sich die Hutu restlos entledigen sollten. Die Vorbereitungen des Völkermords von 1994, mit dem Ruandas Hutu-Extremisten ein Friedensabkommen mit der Tutsi-Rebellenbewegung RPF sabotieren wollten, rechtfertigt Scholl-Latour so: „Die aufgebrachte Bantu-Bevölkerung befüchtete natürlich das Schlimmste von der sich anbahnenden Machtbeteiligung ihrer früheren Peiniger.“ Die Massaker an 800.000 Menschen erwähnt Scholl-Latour zwar, aber richtige Empörung regt sich bei ihm erst angesichts der Tatsache, dass die RPF dann das Völkermordregime vertrieb: „Die Tutsi-Krieger waren wie Racheengel in ihre alte Heimat zurückgekehrt und hielten unerbittlich Gericht.“

Wer bei Scholl-Latour eine objektive Darstellung der Geschichte des Afrika der Großen Seen sucht, wird entweder enttäuscht oder verblendet. Absurd ist, dass dieses Buch sich gut verkauft, während deutsche Verlage sich aus Verkaufsgründen weigern, die Standardwerke aus Großbritannien, Frankreich und Belgien zum Afrika der Großen Seen zu übersetzen. Das leistet dem Rassenhass Vorschub.

DOMINIC JOHNSON