NPD-Verbot: Schily sagt nichts mehr

Die Opposition fühlt sich auch nach dem dritten Auftritt des Ministers im Innenausschuss schlecht informiert. Nur Rot-Grün mit Antworten zufrieden. Verfassungsschutz weiter in der Kritik: V-Mann verantwortete Holocaust-Lügen-Plakat der Berliner NPD

von NADIA LEIHS
und OLIVER HINZ

Die Oppositionsparteien wollen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ein weiteres Mal wegen des NPD-Verbotsverfahrens vor den Bundestagsinnenausschuss zititeren. Obwohl Schily gestern zum dritten Mal vor den Abgeordneten erschien, sehen die Innenexperten von CDU/CSU, FDP und PDS nach wie vor „erheblichen Fragebedarf“.

Schily hatte sich erneut geweigert, Fragen der Union zu beantworten. Er werde erst Stellung nehmen, wenn sich die Unions-Abgeordneten für den Vorwurf, er habe den Innenausschuss falsch informiert, entschuldigt hätten. „Ihre Gnaden geruht, beleidigt zu sein“, spottete CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach und kündigte an, Schily zu weiteren Sitzungen des Innenausschusses zu laden. „Wir haben nicht einmal Näheres über die letzten vier aufgetauchten V-Leute erfahren“, kritisierte die Innenexpertin der PDS, Ulla Jelpke. Die Vertreter der Koalitionsparteien erklärten dagegen, sie hätten keine weiteren Fragen. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, schloss nicht aus, dass die Verbotsanträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ein weiteres Mal ergänzt werden müssten. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, forderte, die Geheimdienste nach Abschluss des NPD-Verbotsverfahrens zu reformieren.

Die Innenminister von Bayern und Niedersachsen, Günther Beckstein (CSU) und Heiner Bartling (SPD), sagten vor dem Ausschuss, sie rechneten nicht mit dem Auftauchen weiterer V-Leute in den Verbotsanträgen.

Der PDS-Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner beschuldigte das Bundesamt für Verfassungsschutz, es täusche vor, sich von antisemitischen Spitzeln getrennt zu haben. Hübner belegte das am V-Mann Udo Holtmann, der bis zu seiner Enttarnung nordrhein-westfälischer Landeschef und Bundesvorstandsmitglied der NPD war. Obwohl ein Berliner Gericht im Oktober 2001 ein von Holtmann verantwortetes Wahlkampfplakat wegen Antisemitismus verbot, habe ihn der Verfassungsschutz „unbehelligt weitergeführt“, sagte Hübner. Die Zusammenarbeit wurde erst Ende Januar nach Holtmanns Enttarnung beendet.

Holtmann wurde für jeden sichtbar als presserechtlich Verantwortlicher auf dem NPD-Plakat „Den Holocaust hat es nie gegeben“ zur Berlinwahl im Oktober angegeben, das seit Mitte Januar pikanterweise als Antisemitismusbeispiel in der Holocaust-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin hängt. Museumskurator Burkhard Asmuss sagte der taz, dass das Ausstellungsstück vermutlich mit einem Hinweis auf Holtmanns V-Mann-Tätigkeit gekennzeichnet werde. „Das macht das Objekt noch spannender.“

Der baden-württembergische Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Dieter Berberich, bekräftigte gestern seine Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz. Danach hätten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes aus dem gesamten Bundesgebiet, Reden für NPD-Kundgebungen geschrieben und verfassungsfeindliche Symbole in Umlauf gebracht. Ein Disziplinarverfahren, wie am Dienstag von dem Sozialdemokraten Wiefelspütz gefordert, werde es vermutlich nicht geben, sagte Dieter Hoffmann, Landesgeschäftsführer der DPolG in Baden-Württemberg, der taz. „Berberich könnte die Verfassungsschützer in einem Verfahren ganz schön unter Druck setzen.“