Missionschef im Wartestand

Der langjährige deutsche Diplomat Eberhard Heyken soll neuer Chef der OSZE-Mission in Weißrussland werden

Überraschung war die erste Reaktion von Eberhard Heyken, als ihn ein Anruf vom Auswärtigen Amt erreichte, mit dem Angebot, die Leitung der OSZE-Mission im Weißrussland zu übernehmen. Heyken zögerte nicht lange und nahm an. „Da war ein starker Impuls, noch einmal etwas zu tun, eine echte Herausforderung“, sagt der 66-Jährige.

Diese Herausforderung hat es in sich, denn der OSZE-Stuhl in Minsk ist heiß. Das musste Heykens Vorgänger im Amt, Hans-Georg Wieck, in der Vergangenheit mehrfach erfahren. So warf ihm Weißrusslands autoritärer Staatspräsident wiederholt vor, die Schulung einheimischer Wahlbeobachter dazu zu missbrauchen, bewaffnete Kämpfer zum Sturz des Regimes auszubilden. Nicht nur einmal wurde Wieck mit sofortiger Ausweisung gedroht.

Doch die Aussicht auf unerfreuliche und langwierige Auseinandersetzungen mit dem verbohrten Sowjetnostalgiker Alexander Lukaschenko schreckt Heyken nicht. Im Gegenteil: Der gelernte Jurist und lang gediente Diplomat, der seit dem 1. September 2000 im Ruhestand ist, fühlt sich bestens für die neue Aufgabe gerüstet. Bereits zu Zeiten der Sowjetunion war Heyken an der deutschen Botschaft in Moskau tätig. Von den 80er-Jahren an leitete er das Sowjetunionreferat im Auswärtigen Amt. Von 1989 bis 1994 abermals in Moskau, diesmal aber als Gesandter, ging er nach zweijähriger Botschaftertätigkeit in der Schweiz in gleicher Funktion 1996 für vier Jahre in die Ukraine.

Gerade seine Erfahrungen mit dem System der Sowjetunion dürften Heyken, der Weißrussland rund ein Dutzend Mal besucht und dort auch Anfang der 90er-Jahre im Zuge der Auflösung des Riesenreiches Verhandlungen geführt hat, im Umgang mit Lukaschenko zu Gute kommen. „Die Aufgabe ist schwierig, das braucht alles Zeit“, sagt Heyken, der sich keine Illusionen darüber macht, dass er im offiziellen Minsk genauso wenig willkommen ist wie sein Vorgänger. Dennoch gebe es in dem Land bereits Ansätze für einen Pluralismus, sagt Heyken. Nicht zuletzt die weißrussische Opposition setze große Hoffnungen auf die OSZE.

Doch derzeit ist Heyken, der sich schon auf seine neue Aufgabe vorbereitet und die Ereignisse in Weißrussland genau verfolgt, zum Abwarten verurteilt. Minsk will ihn nicht ins Land lassen, zumindest so lange nicht, wie das Mandat der OSZE nicht abgeändert ist – natürlich zu Lukaschenkos Bedingungen.

Die Wartezeit überbrückt Heyken mit Referaten und wissenschaftlichen Publikationen über die Ukraine. Im Rahmen seiner Tätigkeit im Vorstand des deutsch-ukrainischen Forums, eines privaten Vereins, reist Heyken alle zwei Monate in die ukrainische Schwarzmeerstadt Odessa. Dort arbeitet er an einem Projekt des deutschen Tierschutzbundes mit, das sich um herrenlose Hunde kümmert.

Wann Minsk sich endlich zu einer Entscheidung durchringt, weiß Heyken nicht. Die Koffer sind jedenfalls bereits gepackt. „Ich bin sofort abflugbereit“, sagt Heyken. Seiner Frau, die ihn die ganzen Jahre bei seinen Auslandsaufenthalten begleitet hat, will Heyken das Abenteuer Weißrussland aber nicht mehr zumuten. Sie bleibt zu Hause in Bonn. Doch lange wird sie nicht allein bleiben. Alle zwei Wochen will Heyken das Wochenende mit ihr verbringen. BARBARA OERTEL