Rechte Post für Preisträger

Deutsche Konservative schicken ausgezeichneten Schulen Polit-Material zu  ■ Von Marcellus Gau

Kaum zwei Wochen nach der Verleihung des Bertini-Preises erhielten Sarah Sorge und Nele Weber vom Corvey-Gymnasium in Lokstedt Post. Absender: Die Deutschen Konservativen, ein in Hamburg ansässiger Verein „zum Kampf gegen die Linken und linke Medien“. Die Konservativen schreiben, sie hätten aus Zeitungsberichten erfahren, dass sich die beiden Preisträgerinnen mit dem Thema Zwangsarbeiter beschäftigt haben, „allerdings“, so bemängeln sie, „recht einseitig – wie wir meinen“. Beigefügt sind zwei Exemplare des Buchs „Zwangsarbeiter, die zwei Seiten einer Medaille“. Joachim Siegerist,Vorsitzender der Deutschen Konservativen, schrieb gleich mehrere PreisträgerInnen an – und das unabhängig davon, ob ihr Thema etwas mit Zwangsarbeit zu tun hatte oder nicht. Den Bertini-Preis, der alljährlich an Jugendliche, die sich gegen Gewalt und Rassismus engagieren, vergeben wird, haben die beiden Frauen für die Organisation eines Projekttages zum Thema „Toleranz“ bekommen.

„Zwangsarbeiter“ ist eine 600 Seiten starke Sammlung von vermeintlichen Zeitzeugenberichten, untergliedert in die zwei Teile: „Fremdarbeiter in Deutschland“ und „Deutsche ZwangsarbeiterInnen auf dem Territorium der Sowjetunion“. Im Vorwort meldet sich der ehemalige Berliner CDU-Innensenator Heinrich Lummer zu Wort. Lummer, in der ultra-konservativen Szene kein Unbekannter, agitiert knackig: „Am Ende des Kalten Krieges bedarf es keiner Schonung mehr. Die Zwangsarbeiterfrage kam auf die Tagesordnung. Des Geldes wegen und wegen der Aktualisierung der Schuldfrage.“ Autor des Buches ist ein gewisser Gustav Krüger. „Zwangsarbeiter“ ist sein erstes Epos. Lediglich durch lobpreisende Briefe an die rechtslastige Zeitung Junge Freiheit ist er bisher hervorgetreten.

Siegerist selbst ist Herausgeber des Buches. In einem aktuellen Aufsatz „Schill: Helm enger schnallen – Weiter marschieren“ warnt er davor, die Kokain-Vorwürfe gegen Schill „hochzustilisieren“, während Berlins schwuler Bürgermeister Klaus Wowereit „ungescholten aus Damenschuhen Sekt saufen“ dürfe.

Insgesamt wurden sieben Projekte an sechs Schulen und eine Schülerband mit den Bertini-Preis prämiert. Mindestens vier der sechs Schulen wurden mit politischem Material der Deutschen Konservativen bemus-tert: Die Realschulen Hegholt und Altrahlstedt sowie die Gymnasien Corveystrasse und Alstertal.

Schulen sind nicht selten Zielscheibe politischer Kampagnen. Doch „so deutlich“, sagt Andreas Jäger, Direktor des Alstertal-Gymnasiums, „war es zum ersten Mal“. Die Schülerinnen Nele Weber und Sarah Sorge haben mittlerweile schon Erfahrung mit rechter Post. Im vergangenen Jahr schickten die Unabhängigen Nachrichten des rechten Verlegers Werner Symanek umfangreiches Material direkt an die Redaktion der Schülerzeitung, an der sie mitarbeiten. Textprobe: „Durch unsere Feinde ist der Schild der deutschen Ehre so rein geblieben, wie der unserer Gegner es meist nicht war.“ Mit den Unterrichtsmaterialien „Deutschland und seine Ostgebiete – Verzicht oder nicht“ und „Verdunkelung der Weltgeschichte durch Schul-Bla-Bla“ versuchten sie, ihre Inhalte im Unterricht zu platzieren.