„Parlament als Propagandabühne“

■ Grüne Studie über DVU-Aktivitäten in der Bürgerschaft: Brauner Wolf im Märtyrergewand. Zugleich loben sie den „demokratischen Konsens“ der parlamentarischen Mehrheit

Alle gegen einen – die Mehrheit von 99 Bremer Bürgerschaftsabgeordneten gegen den DVU-Mann Siegfried Tittmann? Immer wieder ereignen sich im Bremer Parlament Szenen, die genau diesen Eindruck erwecken: Tittmann redet, keiner hört recht zu. Oder: Alle regen sich auf – über Tittmann. Doch nach einer Analyse der Grünen ist die Lage genau andersherum: einer gegen alle, Tittmann gegen den Rest des Parlaments. Dazu haben die Bremer Grünen gestern eine „Studie über Bürgerschaftsaktivitäten der DVU“ vorgelegt.

Aus 45 Seiten geht hervor, dass Tittmanns Selbstinszenierung – als verkannte und deswegen geschnittene Persönlichkeit –, ein tragendes Element seiner Bürgerschaftsaktivitäten ist. Wohl gemerkt – seiner Aktivitäten, nicht etwa seiner Politik. Denn von politischer Arbeit, wie sie von ParlamentarierInnnen erwartet wird, halte Tittmann sich fern. Während der laufenden Legislaturperiode habe er bisher noch kein Thema für wichtig genug gehalten, um dazu eine kleine, geschweige denn eine große Anfrage zu stellen. „Und so genannte Anträge, die er in der Bürgerschaft stellt, dienen ihm vor allem zur Selbstdarstellung.“ Selbst die tragische Gasexplosion in der Neustadt habe der DVU-Mann, der zur Wahl antrat mit „Bremen den Deutschen“, noch dazu völlig sachfremd zur Hetze gegen Ausländer genutzt.

Aus Sicht der Grünen sind diese Erkenntnisse zwar keine echte Überraschung. Vielmehr entsprächen sie dem bereits in einer früheren Studie erkannten DVU-Muster, das Parlament als Podium zu nutzen. Dennoch wollen sie dem DVUler diese Strategie nicht unkommentiert durchgehen lassen. „Immerhin können ihn während der Radio-Direktübertragungen aus dem Parlament alle im Land ungefiltert hören“, so der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner über den Hintergrund der Studie von Thomas Kollande.

Kollande hat vor allem Parlamentsprotokolle der laufenden Legislaturperiode ausgewertet – die belegen, „wie der DVU-Abgeordnete Tittmann das Parlament als Bühne für seine Propaganda miss-braucht“. Provokation sei sein Stilmittel, rechtsextremistisches Gedankengut seine Basis. Abschreiben, Recyceln von Textbausteinen bis hin zur Lüge die methodische und inhaltliche Grundlage seiner Reden, die oberflächlich aktuelle Themen aufgreifen, aber eigentlich dazu dienten, ausländerfeindliche, antisemitische und antidemokratische Inhalte zu transportieren. So beispielsweise in Tittmanns Äußerung über ein ihm ungenehmes Gerichtsurteil: „Bei einer Regierungsbeteiligung der Deutschen Volksunion wären solche Urteile nicht möglich.“

Die Grünen werten diese Aussage in der Bürgerschaft als Indiz dafür, dass die DVU „die Unabhängigkeit der Justiz in einem Rechtsstaat ihrer Couleur abschaffen würde.“ Wie ihr Vertreter Tittmann, der als Bremerhavener mit 5,99 Prozent den Einzug in den Bremer Landtag schaffte, die Gleichheit aller Menschen und der Menschen- und Freiheitsrechte überhaupt ablehne.

„Mit ihm hat ein rechtsextremer Abgeordneter ein Mandat im Bremer Landtag“, so Kollandes Fazit. Der Grüne Güldner lobte zugleich die Verfahrensweise der Fraktionen mit dem DVU-Abgeordneten. Die Absprache funktioniere, wonach bei ausgewählten Themen immer nur ein Sprecher einer Fraktion inhaltlich antworte, der aber für alle spreche. ede

Die Studie ist erhältlich unter Tel.: 30 11 0.