US-Armee beobachtet Kolumbien

In der besetzten Hochburg der kolumbianischen Farc sind US-Militärs unterwegs. Washington unterscheidet nicht zwischen Guerilla und Drogenmafia

von INGO MALCHER

Wenige Minuten nachdem der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana vergangenen Freitag in San Vicente del Caguán in der ehemaligen Guerillazone gelandet war, setzte auf der Piste in dem Urwaldort ein weiterer Jet auf. Aufschrift: „United States of America.“ Die Maschine gehört der US-Botschaft in Kolumbien. Unter die kolumbianischen Soldaten, die seit knapp einer Woche die einstige Farc-Hochburg besetzt halten, mischen sich erstaunlich viele Militärs, auf deren Uniform der Schriftzug „U.S. Army“ steht.

Die USA sind immer stärker mit dabei im Kampf gegen die Guerilla der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc). Washington macht keinen Unterschied mehr zwischen Drogenmafia und Guerilla. Dutzende von US-Soldaten arbeiten als Ausbilder und Berater in der Militärbasis Tres Esquinas im Süden des Landes. Hier fließen alle Informationen zusammen, die US-Aufklärungsflugzeuge an die Bodenstationen funken. Jede Farc-Einheit, jeder Flüchtlingstreck, jedes Paramilitärlager verwandelt sich auf den Bildschirmen der zigarrenförmigen Hallen des Kommandozentrums in einen roten Punkt. Eingerichtet wurde diese Befehlszentrale von den US-Streitkräften.

Noch nie wurden in Kolumbien jedoch bisher US-Soldaten bei einer Antiguerillaaktion gesehen. Gemäß der kolumbianischen Verfassung bedarf es einer Autorisierung des Kongresses, damit Angehörige fremder Truppen sich im Land bewegen dürfen. Die US-Soldaten, die jetzt durch San Vicente marschieren, versuchen kaum, den Fotografen auszuweichen. Ihre Präsenz erscheint ihnen selbstverständlich. Auf die Frage, was er in San Vicente zu suchen habe, sagt ein US-Soldat: „Ich arbeite für das Pressebüro der Botschaft meines Landes.“ Der Chef der kolumbianischen Luftwaffe, General Héctor Fabio Velasco, meint schlicht, die US-Soldaten „kamen nur als Beobachter“. Ähnlich die US-Botschaft selbst: Die Militärs „beobachteten die Veränderungen der zivilen und militärischen Situation in der ehemaligen neutralen Zone“.

Es war die US-Regierung unter Präsident Bill Clinton, die im Rahmen des Antidrogenpakets „Plan Colombia“ 1,3 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe nach Kolumbien geschickt hat. Das Geld wurde vor allem für die Black-Hawk-Kampfhubschrauber ausgegeben. Sowohl US-Armeeangehörige als auch private US-Sicherheitsfirmen, oft von ehemaligen Geheimdienstangehörigen geführt, trainieren seit Jahren kolumbianische Soldaten im Antiguerillakampf. 4.500 der zur Zeit in der Farc-Zone aktiven 15.000 kolumbianischen Soldaten sind Mitglieder einer von den USA ausgerüsteten Eliteeinheit. Der „Plan Colombia“ war offiziell ein Antidrogenplan, inoffiziell war er immer auch für andere Zwecke nutzbar zu machen. So hieß es vor Wochen aus Washington, der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana habe die „volle Unterstütztung“ der US-Regierung, wenn er die Mittel zur Drogenbekämpfung gegen die Farc richtet.

Jetzt soll die Zusammenarbeit weiter vertieft werden. Die USA haben angeboten, die Militärhilfe aufzustocken. Außerdem sollen Geheimdienstinformationen über die Guerilla ausgetauscht werden. Präsident George Bush hat den Kongress gebeten, weitere 98 Millionen Dollar für Kolumbien bereitzustellen. Das Geld soll unter anderem dazu verwendet werden, kolumbianische Soldaten fortzubilden, deren Aufgabe es sein soll, die wichtigste Ölpipeline des Landes zu schützen. Mit über 170 Attentaten gegen Pipelines sind diese zum Hauptangriffsziel der Guerilla geworden. Die US-Botschafterin in Kolumbien, Anne Patterson, erläutert den Grund für die Großzügigkeit: Die Sicherheit der Erdölversorgung sei für die USA seit dem 11. September und den Unruhen im Mittleren Osten „prioritär für die USA“.

Auch in angrenzenden Ländern wird die Militärpräsenz der USA spürbar stärker. Auf der zu Ecuador gehörenden Insel Manta haben die US-Streitkräfte einen Luftwaffenstützpunkt eingerichtet, und Gerüchte über Pläne zur Einrichtung einer möglichen US-Basis in Peru halten sich trotz eines Dementis von Präsident Alejandro Toledo hartnäckig. Das Thema Drogenbekämpfung ist in Peru plötzlich wieder so aktuell wie nie zuvor. Am Montag meldete die in Lima erscheinende Tageszeitung El Comercio, dass die eigentlich zerstörte Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ Kokabauern schützen würde. Und bereits vor einigen Wochen wurde das Gerücht gestreut, dass die Farc in Peru bereits über Ausbildungs- und Rückzugscamps verfüge. Auch dies dementierte die Regierung. Aber es ist davon auszugehen, dass es beim Besuch von US-Präsident George Bush in Peru Ende März um mehr gehen wird als nur um Handelsbeziehungen.