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: HELMUT HÖGE über Manöver-Manpower

Das Casting von Zivilisten für Schlachtfelder

Die Firma „Optronic GmbH & Co. KG“ ist nicht gerade selbstdarstellungssüchtig. Anscheinend arbeitet man dort an der Entwicklung von Lasergeräten für Kriegs- und Bürgerkriegseinsätze. Wenn man übers Internet Näheres erfahren will, endet die Suche stets auf einer zwar üppig fotoillustrierten aber textlich sehr knapp gehaltenen Webpage aus 89 551 Königsbronn: „C.O.B. – Civilians on the Battlefield: Ein weiterer Teilbereich der Firma Optronic ist die Personaldienstleistung … Hierfür suchen wir ständig Statisten, die auf dem U.S.Army Truppenübungsplatzgelände in Hohenfels während Übungen der Soldaten Zivilisten spielen … Die Termine der Veranstaltungen können Sie auf dieser Seite nachlesen“.

Für das Manöver bekommen die Statisten eine Tagesgage von 92 Euro, eine Veranstaltung dauert 16 Tage. Mal müssen die „Unbewaffneten“ Verhandlungen führen, Hochzeiten abhalten oder nach Essen betteln, dann aber auch vor den Besatzern, die eigentlich als Friedenstruppe zu ihrem Schutz da sein soll, demonstrieren, rennen, flüchten … während gleichzeitig andere Statisten versuchen, den Soldaten die Ausrüstung zu klauen.

So sind sie – die Kosovo-Albaner, denn als solche werden die Statisten auf den Truppenausbildungsplatz in der Nähe des Bodensees eingesetzt. Die Soldaten – Kfor-Truppen – auf der anderen Seite müssen lernen, all diese Situationen zu beherrschen und dabei möglichst wenig Kosovo-Albaner umzubringen, wobei sie hier nun nicht mehr mit Übungsmunition ausgerüstet sind, sondern mit Lasergeräten, die wiederum bei den Infrarotsensoren, die die Zivilisten auf dem Rücken tragen, einen Piepton auslösen, wenn sie getroffen wurden.

Trotz der spartanisch-militärischen Unterbringung in Kasernen, Alkoholverbot, Feldküchenverpflegung und zehn Stunden „Dienst“ in drei Fake-Dörfern finden die meisten Statisten das Manöver „lustig“, behauptet Optronic-Veranstalter Hans-Werner Truppel, „auch wenn es mal Minentote gibt“. Seine Firma hat in den letzten drei Jahren bereits mehr als 1.000 Kurzzeitbeschäftigte für solche Manöver mit der U.S.Army angestellt.

Bisher hat Truppel seine Ziviltruppen meist in München, Augsburg und Stuttgart ausgehoben, aber zum einen kamen nie genug – „20 bis 40 höchstens“ – und zum anderen befanden sich darunter zu viele „Miesmacher und Alkoholiker“. Deswegen fand jetzt erstmalig ein Manöver-Casting in Berlin statt: an einem Sonntag im Hotel Maritim an der Friedrichstraße. Mit Erfolg: 300 Leute wurden für Hohenfels benötigt, die Truppel spielend aus den etwa 800 Bewerbern im Maritim zusammen bekam.

Wie Wladimir Kaminer anschließend erfuhr, wurden dabei auch wieder all jene Russen gecastet, die zuvor schon als Statisten in dem bei Babelsberg gedrehten Hollywoodfilm „Stalingrad“ mitgespielt hatten, wobei sie fressende, sterbende, tanzende und singende Rotarmisten mimen mussten. Nun werden sie ebenso bärtige wie verbissene Albaner spielen. „Es kann nur realistischer werden“, meinte einer, dem der Filmplot in Babelsberg allzu kitschig gewesen war. Die Junge Welt schrieb: „Bisher standen als Zivilisten bei US-Manövern in der Regel so genannte Red-Flag-Einheiten bereit“ – also Rote, die den Gegner spielten – „offenbar werden diese jetzt dringender für reale Kriegsoperationen gebraucht.“

Nun werden echte – wenn auch ehemalige – Rote die „Red-Flag-Einheiten“ abgeben – nur wurden sie inzwischen alle outgesourct. Die Statisten unterstehen nicht mehr der US-Army, für die „Rollen und Szenarien“ sei allein Optronic zuständig, wie Truppel einem antiamerikanischen Berliner Studenten beim Casting mitteilen konnte. Das legt die Vermutung nahe, dass die schwäbische Firma dabei vor allem ihre neu entwickelte Technologie testen lässt, wobei der Vertrag mit der Army beinhaltet, dazu auch das notwendige Zivilpersonal zu stellen. Daraus erwuchs seit 1999 eine regelrechte „Personaldienstleistung“ – namens COB –Civilians on the Battlefield: das derzeitige Lieblingskind von Truppel, der schon immer gerne mit Menschen arbeitet.